Roland Hassel - 14 - Piraten
russische Wodka!«
Langsam zog ich meine Sporttasche zu mir und fragte demütig:
»Bist du fertig mit mir?«
Einen Vorteil hatte ich, meine Nationalität. Als Schwede war ich in den Augen des Zollbeamten auf alle Fälle unter der Flagge der Anständigkeit und Ehrlichkeit geboren.
»Ja, ja, hau ab.«
»Schau, russische Wodka, ganze Flasche!«
Der Beamte widmete sich nun ganz seinem Peiniger, und ich trollte mich. Die Organisation schützte ihre Leute in jeder Situation. Der Mann mit der Reisetasche war einer meiner Bewacher, die Szene einstudiert. Andere begleiteten mich sicher weiterhin, so daß ich meine Rolle konsequent zu Ende spielen mußte. Vor dem Flughafengebäude stellte ich mich am Taxischalter an. Der Fahrer nannte mir einen Festpreis, ich stieg ein und murmelte die Adresse in Norsborg.
Der Chauffeur war ein älterer, freundlicher Mann, der die Fahrt gern durch eine lebhafte Unterhaltung verkürzen wollte, doch ich hatte keine Lust und stellte mich schlafend. Müde war ich ohnehin.
Mein kleines Schlüsselbund trug ich immer noch in der Hosentasche, und niemand hatte danach gefragt. Man trägt ja stets eine ganze Kollektion von Schlüsseln mit sich herum, für die Haus- und Wohnungstür, den Keller, den Dachboden, für Fahrrad und Auto, für das Bankschließfach und die heimliche Wohnung, die man mit der Geliebten teilt.
Ich fand Odlers Wohnung vor, wie ich es mir gedacht hatte. Im Flur häuften sich Zeitungen und Reklamesendungen, überall lag Staub und die Lebensmittel waren verdorben. Das Mobiltelefon konnte ich nicht finden; entweder hatte Leons Gang es beschlagnahmt oder Hillers Leute waren dagewesen. Der Besitz eines solchen Geräts mußte nicht unbedingt Mißtrauen erwecken; er paßte im Gegenteil gut in Odlers Charakterbild. Da die Unternehmen solche Apparate heutzutage fast verschenken, um teure Benutzerverträge abschließen zu können, hätte sich Johnny Odler sicher ein sogenanntes Handy angeschafft, in der Überzeugung, damit besonders »in« zu sein. Die ganze Sache mit den Mobiltelefonen erinnerte stark an Rockefellers Coup aus den zwanziger Jahren. Der clevere Amerikaner hatte damals zwei Millionen Petroleumlampen an China verschenkt. Dann verkaufte er den Chinesen das dazu notwendige Petroleum, und in vier Monaten waren die Lampen bezahlt. Die Chinesen lernten, was die schwedischen Mobiltelefonkunden erst noch begreifen müssen: Daß man in diesem Leben nichts geschenkt bekommt und sein Geld lieber zusammenhalten sollte.
Das normale Telefon klingelte, und ich meldete mich mit Odlers mürrischer Stimme. Natürlich war es Leon, der sich erkundigen wollte, ob das Schäfchen gut angekommen war und brav im Stall stand.
»Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?« fragte er.
Ich glaubte, seinen Erwartungen an Johnny Odler mit einer Mischung aus Gier und Impertinenz am besten zu entsprechen:
»Hast du ein Ding am Laufen? Ich bin dabei! Mit Hunderttausend kommt man nicht weit. Du mußt es nur sagen. Verdammt, das Geld reicht hinten und vorne nicht …«
»Habe ich gesagt, daß wir interessiert sind?«
»Nein, aber du hast gefragt, was ich in der nächsten Zeit vorhabe.«
»Das will ich immer noch wissen.«
»Leon, ich habe es durchgerechnet; es ist sinnlos, eine Wohnung für Hunderttausend zu kaufen. Ich will nicht leben wie ein armer Schlucker, wo ich doch weiß, daß man das große Geld machen kann.«
»Für unseren Geschmack bist du ein wenig zu krank.«
»Mensch, Leon, manchmal zwackt es mich an den Nieren, aber ich werde mir Medikamente verschaffen, so daß unangenehme Überraschungen ausgeschlossen sind. Kannst du die Geschichte in England nicht vergessen?«
Er räusperte sich und schien zu zögern – ein Mann, der gegen seine Überzeugung sein gutes Herz sprechen läßt:
»Nun ja, vielleicht war ich etwas voreilig. Möglicherweise kannst du eine zweite Chance bekommen, das richtig große Geld zu verdienen. Wir werden sehen.«
Jetzt hatte er mich angefüttert, und Johnny Odler lief rollengemäß das Wasser im Munde zusammen. Seine Habsucht würde verhindern, daß er die Organisation verriet. Leon beherrschte das alte Spiel mit Zuckerbrot und Peitsche perfekt.
»Prima, Leon. Du kannst dich immer auf mich verlassen. Wann bekomme ich den nächsten Job? Du weißt, für meine Zukunftspläne …«
»Frühestens in einem halben Jahr.«
»Was? Erst in sechs Monaten?«
»Ich kann dir verraten, daß wir dann ein sehr großes Geschäft starten werden. Eine halbe Million
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