Rolandsrache
Spitze traf, doch sie prallte an Rudolfus’ dickem Fell, von dem er mehr als genug hatte, ab. Simon zuckte entschuldigend mit den Schultern, und Claas deutete auf den anderen, um Simon zu zeigen, dass sein Vorwurf nicht ihm galt.
»Nachsichtiger als mit uns, die er wie Vieh durch die Kälte jagt. Aber ich glaube, dass einer der Ratsherren den Vogt unter Druck gesetzt hat.«
Für diese Worte erntete Rudolfus von Simon einen missbilligenden Blick, worauf er das Thema auf sich beruhen ließ. Claas konnte sich gut vorstellen, wer dieser Ratsherr war, doch er schwieg. Wie sich dieser Rudolfus gebärdete, verrichtete er seinen Dienst mit Sicherheit nicht gern, und vermutlich war er sogar bestechlich wie viele andere auch.
»Nun, dann erzähl uns mal alles, was an diesem Tag vorgefallen ist, an dem Jacob Olde zu Tode kam. Wie ich sehe, bist du bei der Sache auch nicht ungeschoren davongekommen.« Der Blick des Büttels war zu Claas’ verbundenem Arm gewandert, und sein linkes Auge zuckte jetzt noch schneller als zuvor.
Endlich kam er zur Sache. Claas hatte sich schon gefragt, ob dies ein Anstandsbesuch werden sollte oder ob der Büttel wegen des Mordes hier war.
»Gebrochen?«, hakte Rudolfus noch einmal nach.
»Ja.« Claas nahm einen Schluck Wein, holte tief Luft und begann zu erzählen, was er auch Anna und den anderen berichtet hatte. »Also, Meister Olde schloss, wie an jedem Morgen, das Tor auf und ging vor mir in die Halle. In diesem Augenblick wurde ich auch schon von mehreren Männern umgeworfen. Sie waren wie aus dem Nichts gekommen, denn es war ja noch dunkel in der Frühe. Einer blieb bei mir und schlug mit einer Stange auf mich ein, während die anderen hinter dem Meister her in die Werkstatt sind und ihm zusetzten. Ich wehrte mich, doch was vermag ein liegender Mann gegen eine Eisenstange auszurichten?«
Rudolfus zog unbeteiligt seine Schultern hoch.
»Nicht viel«, bestätigte Simon mit finsterer Miene.
»Nach einigem Gerangel gelang es mir, wieder auf die Beine zu kommen, sodass ich dem Mann einen Tritt versetzen konnte. Er ging zu Boden, worauf ich mir die fallen gelassene Stange griff und betete, nicht zu spät zu kommen. Dann eilte ich in die Werkstatt. Ich wollte dem Meister helfen, so gut ich konnte, doch er lag blutüberströmt im Staub, und einer der anderen ging sofort auf mich los. Zwei oder drei weitere waren im Begriff, die Arbeiten von den Sockeln zu stoßen, was ihnen auch gelang. Nachdem sie damit fertig waren, fielen sie gemeinsam über mich her, und irgendwann bekam ich etwas gegen den Kopf, eine Stange oder einen Tritt, genau weiß ich es nicht mehr, jedenfalls wurde mir schwarz vor Augen. Als ich aufwachte, waren sie verschwunden. Der Meister lag noch immer blutend an der gleichen Stelle und rührte sich nicht. Ich habe mich dann zur Tür geschleppt und um Hilfe gerufen, worauf Wegener vom Lager gegenüber mit seinen Männern kam und uns zum Haus der Oldes brachte.«
»Hast du einen von ihnen erkannt oder kannst du welche beschreiben?«, fragte Simon interessiert und leerte mit einem kräftigen Schluck seinen Becher, den Claas erneut füllte. Rudolfus fixierte ihn weiter.
»Sie hatten ihre Gesichter tief unter ihren Gugeln verborgen. Doch dem, den ich draußen niederstreckte, rutschte seine halb vom Haupt, und ich sah, dass er dunkles, glattes Haar und eine große Narbe über dem Auge hatte.« Er fuhr sich demonstrativ mit dem Finger über die Braue und zeichnete den Narbenverlauf nach. Einen Moment glaubte er, im Gesicht von Rudolfus ein Zeichen des Erkennens zu sehen.
»Kennt Ihr einen von ihnen?«, fragte Claas ihn ohne Umschweife, doch Rudolfus’ Züge nahmen wieder den gleichmütigen Ausdruck an, seine Mundwinkel fuhren nach unten, und er schüttelte energisch den Kopf.
»Nein.«
»Könnte das nicht Georg sein?«, fragte jedoch Simon.
»Kann nicht. Der liegt in einer Zelle in Oldenburg und erholt sich von den Hieben eines Händlers, den er beklaut hat«, antwortete Rudolfus träge.
»Ach, darum ist er mir seit Längerem nicht aufgefallen.« Simon grinste.
»Was für Arbeiten habt ihr ausgeführt, die für andere von solch großem Interesse sind?«
Claas war angenehm überrascht, dass Rudolfus seine Pflicht doch ernster nahm, als er geglaubt hatte.
»Wir fertigen eine Statue für einen der Ratsherren an.« So viel durfte Claas nach Absprache mit Hemeling preisgeben. Er stand auf und warf noch einige Holzscheite in die Flammen.
»Na, der muss aber Geld wie Heu
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