Rolandsrache
steht. Aber auch für die Stadt birgt es ein Risiko, und wenn die Statue nicht rechtzeitig fertig ist, haben wir unsere Freiheit verwirkt.«
»Genau aus den Gründen werden wir es schaffen.« Anna sah ihn fest an.
Hemeling atmete schwer aus, und Anna las Zweifel in seinen Augen. Sie hoffte, nicht betteln zu müssen, aber wenn er sich nicht erweichen ließe, würde sie es tun.
»Damit du mich nicht für einen Unmenschen hältst und siehst, dass ich euch vertraue, gebe ich euch noch etwas Zeit, aber …«, sein Gesicht wurde strenger, »… dann muss ich enorme Fortschritte sehen.«
»Das werdet Ihr!« Anna strahlte und machte einen Knicks.
»Außerdem …«, er zog sie an der Hand nach oben, »… will ich, dass ihr in die Stadt kommt und da arbeitet.«
Sie machte große Augen. »Wo in Bremen sollen wir denn leben?«
»Ich habe in der Nähe des Wachhauses ein großes Haus, mit einem geschützten Innenhof, der sich als Werkstatt bestens eignet. Ich stelle es euch für die Dauer der Arbeit zur Verfügung und möchte, dass ihr so schnell wie möglich umzieht. So kann ich auch öfter nachsehen, wie ihr vorankommt.«
»Dann wird jeder sehen, dass wir dort an etwas Größerem arbeiten«, wandte Anna ein.
Er grinste verschmitzt. »Das macht nichts, ich lasse einfach verbreiten, dass ihr eine lebensgroße Statue von mir fertigt. Dass mir überall Eitelkeit nachgesagt wird, hat auch einen Vorteil: Jeder wird es glauben. Außerdem werden Bertram und Klaus sich die Kluft der reisenden Handwerker anziehen und bei euch Quartier beziehen. So habt ihr zusätzlichen Schutz.«
»Und wenn jemand die Statue sehen will?«
»Dann sagt ihr einfach, dass ich es verboten habe. Die Bürger werden das glauben, und die, die uns hindern wollen, wissen sowieso schon längst, an was ihr da arbeitet. Nur haben sie es in der Stadt viel schwerer, Schaden anzurichten.«
»Aber dafür müssten wir hier alles aufgeben, und ich weiß nicht, wie Mutter es aufnehmen würde.«
»Es ist ja nicht für immer. Außerdem – erinnerst du dich an die Sache mit Hoya?«
Anna nickte. »Gewiss.«
»Kurz nachdem du fort warst, bekam ich eine Nachricht, dass der Graf seine Truppen in Bewegung gesetzt hat. Auch aus dem Grund seid ihr besser in der Stadt aufgehoben.«
Stephan und Anna nickten einander zu.
»Dann tun wir, was Ihr verlangt«, sagte sie.
Was blieb ihnen auch anderes übrig?
12
Hemeling war seit über einer Stunde fort, hatte aber versprochen, in fünf Tagen Wagen und Kutschen zu schicken, die ihre Habseligkeiten in das neue Haus bringen würden. Anna beratschlagte mit den beiden Brüdern, wie sie den Umzug am besten organisieren konnten, als Claas wutschnaubend in die Werkstatt kam.
Mit funkelnden Augen stand er vor ihr, nach Wein und Seife riechend. »Hat dein Priester dich nach Hause gefahren, ja?«
»Mein Priester?« Das war nun schon das zweite Mal, dass man »ihr Priester« sagte, doch aus seinem Mund missfiel es Anna noch mehr als bei der Fremden in der Kirche. Die Art, in der er es aussprach, machte deutlich, dass er mehr hinter ihrer Bekanntschaft mit Heinrich vermutete. »Und wenn?«, funkelte sie ebenso angriffslustig zurück. »Aber nein, hat er nicht.«
»Ach, dann bist du den weiten Weg wohl gerannt?«, fauchte er.
»Wäre dir das lieb gewesen? Wo warst du denn, als wir uns treffen wollten?«
Hinter Claas schob Franziskus seinen jüngeren Bruder durch die Tür und folgte ihm leise nach draußen. Nun war sie mit Claas allein in der Werkstatt.
»Ich habe mich nur etwas verspätet und dann eine geschlagene Stunde gewartet. Und wo ich war, ist dir doch sowieso egal.«
»Du musst es mir auch nicht sagen, man kann es gegen den Wind riechen. Ich hoffe, du hattest dein Vergnügen.«
»Mehr als mit dir.«
Anna versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie tief sie diese Antwort traf, und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dann kannst du sie ja bald zu deiner Konkubine machen.«
Der Zug um seinen Mund wurde härter. »Und was hat dein Priesterlein gesagt, bekommst du deine Annullierung?«
»Wir werden sehen. In vier Wochen sollen wir zum Erzbischof kommen. Mein Priester wird bei ihm ein gutes Wort für uns einlegen.«
»Na, davon bin ich überzeugt. Wenn du von mir befreit bist, wirst du dann zu ihm ins Bett kriechen?«
Beinahe automatisch zuckte Annas Hand nach vorn und traf Claas im Gesicht. Verwundert rieb er sich die Wange, und einen Moment glaubte sie, er würde zurückschlagen, doch er tat es nicht und grinste
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