Rolf Torring 077 - Schrecken der Sunderbans
gerissen.
Weiter bemerkten wir die Spuren einiger Männer, die sich der südlichen Mauer zu entfernten.
„Was ist hinter der Mauer?" fragte Rolf den Inspektor.
„Ein Streifen dichten Waldes. Dann kommt eine Straße. Der Wald stößt östlich an den Hugli River."
„Dann ist mir alles klar," sagte Rolf. „Die Bande hat Pongo betäubt und ihn fortgetragen. Jetzt wird er wohl schon in einem Boot auf dem Hugli schwimmen. Wir müssen schnell aufs Wasser. Vielleicht finden wir ihn. Ich habe eine Ahnung, als drohe ihm eine große Gefahr."
„Ich werde telefonisch ein Rennboot der Polizei an den Waldrand bestellen," schlug Black vor. „Wir können von hier aus durch den Wald gehen und die Stelle suchen, an der Pongo in ein Boot gebracht worden ist."
„Sehr gut," rief Rolf. „Telefonieren Sie bitte auch nach einem tüchtigen Veterinärarzt, der Maha untersuchen soll. Oder ist dafür Professor Kellar geeigneter? Ich vermute, daß Maha durch ein Gift betäubt worden ist, das der Professor vielleicht schneller und richtiger feststellt als ein Arzt. Kellar kann vielleicht auch das Gegengift nennen."
„Ich werde alles schnellstens erledigen," versprach der Inspektor. „Bleiben Sie solange hier, meine Herren?"
„Wir werden hier auf Sie warten," sagte Rolf. „Beordern Sie in das Rennboot nur zwei Leute, aber sie müssen besonders tüchtig sein. Ich vermute, daß Pongo zu dem alten Wachtturm geschleppt worden ist, den wir auf der Kartenskizze Kasis festgestellt zu haben glauben."
„Gut, gut," rief Black über die Schulter zurück. Er eilte schon in großen Schritten seinem Bungalow zu.
4. Kapitel
In schwieriger Lage
Die Spuren der Inder zu verfolgen, die Pongo überwältigt hatten, war nicht schwer. Daß es sich um Inder handeln mußte, erkannten wir aus einem Stoff-Fetzen, der an einer Dornenranke hing. Ein solches Gewebe trugen Weiße nicht.
Bald gelangten wir an den Hugli River, einen Arm des Ganges-Deltas. Das Wasser war recht belebt. Wir konnten uns kaum vorstellen, wie es unseren Gegnern gelungen war, Pongo am hellen Tage in einen Kahn zu schaffen, ohne daß es bemerkt worden war. Vielleicht war es sogar von eingeborenen Fischern oder anderen Bootsbesitzern gesehen worden, aber die Leute würden vor der Erpresserbande, dem „Schrecken der Sundarbans", solchen Respekt haben, daß sie uns bestimmt kein Sterbenswörtchen verraten hätten, wenn wir sie um Auskunft gebeten haben würden.
„Herr Inspektor," sagte Rolf, als Black nach kurzer Zeit zu uns zurückgekommen war, „die beiden Fischer auf dem Sampan, der in der Flußmitte verankert ist, müssen auf alle Fälle etwas bemerkt haben. Wenn das Polizeiboot gekommen ist, werden wir hinüberfahren. Sie können sie ausfragen und mit schärfsten Strafen drohen, wenn sie sich weigern sollten, auf Ihre Fragen zu antworten."
„Ich glaube," antwortete der Inspektor, „sie schweigen lieber, auch wenn ich ihnen die furchtbarsten Strafen androhe. Aber ich werde es versuchen. Sie wissen, daß ich ihnen nicht die Köpfe abreißen kann, auch wenn ich die Drohungen unermeßlich übertreibe; die Bande jedoch würde sich nicht scheuen, sie zu töten, wenn sie erführe, daß die beiden Fischer uns eine Auskunft gegeben haben. Das erschwert die Arbeit der Polizei ja so ungemein, daß die Inder, die ehrlich ihrem Erwerb nachgehen, aus Angst vor der Bande nichts zu sagen wagen. Es ist nicht ein Nationalgefühl, das sie veranlaßt, einander nicht zu verraten. Wer das annimmt, macht einen Fehler. Die Inder sind im Grunde ehrliche, biedere Menschen, die wohl bestrebt sind, ihre nationale Unabhängigkeit zurückzuerhalten, die einen mit Gewaltversuchen, die anderen — die besseren und klügeren — auf friedlichem Wege, auf dem sie auf die Länge der Zeit berechnet mehr erreichen werden. Es mag ketzerisch klingen, wenn ich als englischer Beamter solche Ansichten äußere. Aber ich glaube, wie ich denken die meisten einsichtigen Briten. Es handelt sich für uns darum, den Einfluß auf Indien auch dann nicht zu verlieren, wenn wir den Indern Stück für Stück ihrer Selbständigkeit zurückgeben. Was wir in dem 'Schrecken der Sundarbans' vor uns haben, ist eine gemeine Erpresserbande. Das sind Verbrecher, wie sie bei allen Völkern vorkommen. Was der Bande in unserem speziellen Falle zugute kommt, ist die Angst ihrer Stammesgenossen vor Repressalien, die der zu erwarten
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