Rolf Torring 112 - Die Thugs
glaube. Sehen Sie sich den kleinen Zettel hier an! Kennen Sie die Handschrift?"
Rolf übergab dem Major den in der Götterfigur gefundenen Zettel. Kaum hatte der alte Herr einen Blick darauf geworfen, sagte er:
„Das ist die Schrift meiner Tochter! Darauf kann ich jeden Eid nehmen. Woher haben Sie den Zettel, Herr Torring?"
„Nehmen Sie bitte wieder Platz, Herr Major! Wir wollen alles in Ruhe überlegen. Im Augenblick wissen wir noch nicht, wo sich Ihre Tochter befindet, wir hoffen aber, Ihnen bald gute Nachrichten bringen zu können."
„Meine Tochter wird in diesem Monat zweiundzwanzig Jahre alt. Wollte Gott, daß ich ihren Geburtstag mit ihr zusammen verleben könnte."
„Darf ich noch um die Beantwortung einiger Fragen bitten, Herr Major? Was hatten Sie an Personal im Haus, als Ihre Tochter vor zwei Jahren verschwand?"
„Eine alte Köchin aus Deutschland und einen Eingeborenen, der die groben Hausarbeiten verrichtete."
„Wie lange blieb der Eingeborene noch bei Ihnen, nachdem Ihre Tochter verschwunden war, Herr Major?"
„Acht Tage später verschwand er ebenfalls. Die Nachforschungen der Polizei blieben auch in diesem Falle erfolglos. Wir brachten sein Verschwinden sofort mit dem meiner Tochter in Zusammenhang."
„Mehr habe ich jetzt nicht zu fragen, Herr Major. Eine Bitte noch: besuchen Sie uns hier nicht, ohne daß wir Sie darum bitten. Wir lassen Ihnen Nachricht zukommen, sobald wir ein Stück weiter sind. Auch Sie, Herr Hollbert, müssen unbedingtes Stillschweigen bewahren; Sie gefährden sonst vielleicht die Rettungsaktion."
Beide Herren versprachen es. Sichtlich hoffnungsvoll verließ uns Major Rollers zusammen mit dem Hotelier. Kaum waren sie gegangen, betrat Pongo leise das Zimmer und schaltete sofort das Licht aus.
„Massers, Pongo zwei Gestalten im Garten gesehen, aber schnell wieder verschwunden."
Sollte unser Einzug in das Gartenhaus schon bekannt geworden sein? Rolf ging mit Pongo in den Garten hinaus, um ihn gründlich abzusuchen. Sein Gesicht war ernst, als er nach einer Stunde zurückkam. Er legte eine elastische Schlinge auf den Tisch, wie sie von den Anhängern Kalis verwandt wird, um die Opfer zu erwürgen.
„Das haben wir draußen gefunden!" sagte er nur. „Sie war an der Haustür befestigt. Das kann nur in dem Augenblick passiert sein, als Pongo für Minuten zu uns hereinkam. Wir haben es wahrscheinlich mit den Thugs zu tun, jener Sekte, die mit ihren Schlingen unheimlich geschickt arbeitet."
„Ich kann mir nicht denken, Rolf, daß hier, auf französischem Boden, die Sekte auch existieren sollte."
„Es ist aber so, Hans."
Balling fragte nach den Bräuchen der Sekte. Rolf erzählte ihm, soviel er davon wußte.
„Und wie sollen die Leute unsere Ankunft erfahren haben?" fragte Balling.
„Das weiß ich auch nicht," meinte Rolf. „Ich nehme an, daß die Behörden von der Existenz der Sekte keine Ahnung haben. Wir werden morgen früh zunächst den Eingeborenen aufsuchen, der Professor Thomson die kleine Statue gab. Ich vermute, daß es der frühere Diener von Major Rollers ist. Er wird seinen Sektenbrüdern die Tochter des Majors in die Hände gespielt und seine Tat später bereut haben. Jetzt versucht er, einen Weg der Befreiung für sie zu finden, ohne daß man ihn als Verräter entlarven kann."
Wir verteilten die Wachen für die Nacht. Ich mußte Pongo, der bisher im Garten umhergewandert war, ablösen. Lieber hätte ich auf Tiger gewartet als auf die unheimlichen Gesellen, die Schlingen so geschickt verwenden. Zum Glück schien jetzt der Mond, so daß ich den Garten übersehen konnte, soweit nicht Bäume und Büsche die Sicht verdeckten. Ich zog mich in den Schatten eines Baumes zurück und beobachtete von da aus das Haus.
Im Hotel war schon alles schlafen gegangen, ich achtete auf jedes verdächtige Geräusch — und jedes Geräusch war verdächtig.
Nach einer Stunde sah ich plötzlich einen Schatten zum Gartenhaus huschen. Ich hatte die Pistole fest in der Hand. Aber ehe ich dazu kam, der Gestalt zu folgen, war sie im Schatten des Hauses verschwunden. Trotzdem schlich ich hinter ihr her, dem Sommerhaus zu. Ich hatte noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als mir von hinten eine Schlinge über den Kopf geworfen und zugezogen wurde. Mir blieb gerade noch soviel Zeit, die linke Hand zwischen Hals und Schlinge zu schieben, da
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