Rolf Torring 122 - Tibetanische Geheimnisse
Durchmesser zu sein, denn Rolf brauchte für das Durchsägen etwas länger als beim ersten Stab.
Endlich war die Arbeit geschafft. Rolf stieg als erster durch die Öffnung. Wir folgten ihm schnell.
Der Tunnel begann langsam anzusteigen. Rolf, der zwei Schritte vor uns ging, blieb stehen und deutete nach oben.
An der Stelle befand sich in der Decke des Tunnels wieder ein Gitter, dessen Stäbe ziemlich weit auseinander standen. Ich vermutete sofort, daß hier die Mönche ihr Wasser schöpften, indem sie durch die Lücken zwischen den Gitterstäben von oben einen Eimer hinab ließen.
Rolf sägte einen Stab des Deckengitters durch. Dann turnte er über meine Schulter hinauf und leuchtete den Gang aus, den das Gitter abschloss. Er führte schräg nach oben und war oft sehr steil.
Als Rolf oben festen Fuß gefaßt hatte, zog er uns nach. Wir schritten den Gang empor, kamen aber nur langsam vorwärts. Nur Rolf hatte jetzt die Taschenlampe eingeschaltet, handhabte sie aber mit größter Vorsicht. Zwar konnte keiner der Mönche ahnen, daß sich auf diesem ungewöhnlichen Wege drei Weiße in das Kloster einschlichen, aber wir mußten achtgeben, keinen Lärm zu verursachen.
Schließlich gelangten wir in einen kleinen Kellerraum, der nur einen Ausweg hatte. Von hier führte eine Steintreppe nach oben, die wir hinaufstiegen. Nach einer bestimmten Anzahl Stufen, die ich zählte, kam jeweils seitwärts eine verschlossene Bronzetür. Zwei hatten wir schon passiert. Rolf hatte bei keiner der beiden Türen den Versuch gemacht, sie zu öffnen, obwohl er das dafür nötige Handwerkszeug bei sich trug.
Vor der dritten Tür blieb Rolf überlegend stehen. Professor Kennt bedeutete Rolf durch Zeichen, die Tür zu öffnen, damit wir wüssten, was dahinter sei.
Nach kurzer Zeit hatte mein Freund das Schloß „geknackt". Vorsichtig zog er die Tür auf. Vor uns lag ein langer Gang, in den Rolf hineinleuchtete. Dabei machten wir eine Beobachtung: von dem Gang führten viele Türen ab, die jeweils eine winzige Öffnung hatten. Ich mußte unwillkürlich an ein Gefängnis denken.
Rolf hatte die Taschenlampe schon ausgeschaltet. Im Dunkeln tasteten wir uns den Gang vorwärts.
Als wir die erste Tür erreichten, sahen wir aus der Öffnung einen schwachen Lichtschein dringen. Vorsichtig schauten wir nacheinander in den hinter der Tür liegenden Raum: in einer Ecke kniete ein Mönch vor einem schrägen Tischchen, in andächtiges Gebet versunken.
Das konnte keiner der „eingemauerten Mönche" sein, denn die Tür, vor der wir standen, konnte jederzeit geöffnet werden.
Langsam schlichen wir weiter und blickten durch viele Türöffnungen: überall das gleiche Bild, in jeder Zelle kniete betend ein Mönch.
Der Gang war plötzlich zu Ende; eine Mauer schloß ihn ab. Wir mußten umkehren. Rolf verschloss die schwere Gangtür. Weiter ging es die Treppe empor.
Wieder kam im gleichen Stufenabstand eine bronzene Tür. Rolf öffnete sie. Wieder erblickten wir dahinter einen Gang, aber hier gab es an den Gangwänden keine Türen, wohl aber die uns schon bekannten kleinen Öffnungen.
Wir betraten vorsichtig auch diesen Gang und schauten durch die Öffnungen: Zellen wie ein Stockwerk tiefer lagen dahinter, in jeder Zelle ein Mönch. Die Mönche hier, die in den Zellen ohne Ausgang saßen und beim Scheine kleiner Öllampen in dicken alten Büchern lasen, waren viel älter als die im tiefer gelegenen Stockwerk.
Der Gang mochte ebenso lang sein wie der, den wir bereits entlang geschlichen waren. Auch er war durch eine Mauer zu einer Sackgasse geworden. Wir mußten noch einmal zur Treppe zurück.
Dreimal noch trafen wir bronzene Türen an, hinter denen die bekannten Gänge begannen. Überall in den Zellen dasselbe Bild. In den oberen Stockwerken befanden sich also die eingemauerten, in den unteren die noch nicht eingemauerten Mönche, die sich hier wohl auf die endgültige Abschließung von der Außenwelt vorbereiteten.
Endlich hörte die Treppe auf; sie war so vielstufig, daß wir, als wir oben angelangt waren, Muskelschmerzen in den Beinen hatten. Ein breiter Gang führte von der Treppe aus zu Türen, die viel breiter waren als die Zellentüren in den unteren Stockwerken. Die Türen hier hatten keine Gucklöcher. Ich vermutete, daß hinter diesen Türen die Mönche lebten, die das Kloster verwalteten und die Zellenmönche betreuten.
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