Rolf Torring 132 - Rolfs Meisterschuß
„Haben Sie Bolago meinen Tod gemeldet, meine Herren?" empfing uns Holbre. „Ihr Pongo war schon auf meinem Segler und hat Steuermann Traveller hierher gebeten; er wird in einer halben Stunde da sein."
Rolf bat Holbre mit in seine Kabine und erzählte ihm vom „Testament", das sich in Bolagos Händen befinde, nach dem der Segler „L'Oiseau" jetzt Eigentum des Mulatten sei.
„Ich — dem Manne einen Brief hinterlassen?!" entrüstete sich Holbre. „Oh, jetzt durchschaue ich ihn! Er wollte nur mein Schiff haben!"
„Die Erbschaft scheint mir nur ein "Abfallprodukt" am Rande, Herr Kapitän, ich glaube, hier geht es noch um ganz andere Dinge. Es ist gut, daß Ihr Steuermann gleich herkommt! Ihm können Sie die notwendigen Anweisungen geben. Wieviel Neger und wieviel Weiße haben Sie an Bord?"
„Sechs Weiße und vierzehn Neger! Warum fragen Sie danach?"
„Nur so ein Einfall! Es wäre ja möglich, daß die Neger mit Bolago unter einer Decke stecken. Wo haben Sie die Farbigen angeheuert?"
„Die meisten in New Orleans, drei allerdings hier in der Stadt. Dabei hat mir Bolago geholfen; sein Diener Samuel wußte drei gute Seeleute. Die Sache ist gut ausgedacht, und ich bin so ganz gemütlich in die Falle hinein getappt. Es ist nur gut, daß gerade Sie mich aus dem Wasser gezogen haben!"
„Ich fürchte, wir werden auf Haiti noch eine ganze Menge erleben. Da scheint übrigens Ihr Steuermann zu kommen! Pongo kann ihn herbringen."
Rolf hatte durch das Bullauge den Mann kommen sehen; ich eilte nach oben, um Pongo zu sagen, er solle Traveller in Rolfs Kabine geleiten.
Wenige Minuten später stand der Steuermann seinem Kapitän gegenüber, dessen Hände er wieder und wieder schüttelte. Die Nachricht, daß Holbre tödlich verunglückt sei, hatte ihm Samuel, Bolagos Diener, höchstpersönlich überbracht, kurz bevor Pongo bei ihm erschien. Vor einigen Minuten war Bolago selbst gekommen und hatte ihm „Holbres Testament" gezeigt. Er habe dabei aber ausdrücklich betont, daß erst die Leiche gefunden oder das Seeamt Holbres Tod bestätigen müsse, ehe das Testament Rechtskraft erlange. Traveller solle einstweilen für Ruhe und Ordnung sorgen, er, Bolago, werde morgen einen Mann schicken, der den Segler verwalten könne, bis die Erbschaft rechtskräftig geworden sei.
Als Bolago den Segler verlassen habe, hätten nach kurzer Beratung sämtliche weißen Matrosen erklärt, sie würden abheuern, denn unter einem Mulatten wollten sie nicht arbeiten.
„Und wie soll ich mich nun verhalten?" fragte Traveller. „Warum kommen Sie nicht einfach an Bord und entlarven den Mann?"
„Wir müssen noch etwas abwarten, Traveller. Ich werde Ihnen jetzt eine Vollmacht ausfertigen, die Ihnen erlaubt, über das Schiff zu verfügen. Sie müssen dabei aber nach meinen Angaben handeln! Wenn der Mulatte morgen jemanden schickt, dann legen Sie, auch wenn es eine Gerichtsperson sein sollte; einfach Ihren Schein, den ich zurückdatiere, vor und betonen, daß für den Fall meines Ablebens einzig und allein Sie dazu bestimmt seien, das Schiff zu führen und zu verwalten, bis ein Gericht amtlich über den Segler entschieden hat. Betonen Sie immer wieder, daß mein Tod noch nicht amtlich beglaubigt ist!"
„Ich verstehe vollkommen, Herr Kapitän," antwortete Traveller, „und werde mich nicht verblüffen lassen. Wann etwa werden Sie selber wieder an Bord kommen?"
„Das kann ich noch nicht genau sagen, Traveller. Sie werden die nächste Fahrt aber einstweilen noch nicht ausführen, selbst wenn das Gericht es bestimmen sollte. Wenn Sie doch dazu gezwungen werden sollten, entlassen Sie alle Neger und heuern neue Mannschaften an. Wir müssen bei dem, was wir vorhaben, mit großer Bedachtsamkeit zu Werke gehen."
Als Steuermann Traveller eine halbe Stunde später mit der Vollmacht unsere Jacht verließ, lächelte Kapitän Holbre zufrieden, er wußte, daß er sich auf den Mann hundertprozentig verlassen konnte.
Pongo war dem Steuermann unbemerkt nachgegangen. Als er zurückkam, meldete er uns:
„Massers, viel Feinde in der Stadt. Pongo gesehen, wie zwei Neger Pongo nach schlichen, als zum Schiff des Kapitäns gegangen, um Steuermann zu benachrichtigen. Pongo zwei andere gesehen, die Pongo folgten, als zurückgegangen. Pongo weiter gesehen, daß auch zwei Neger den Steuermann beobachteten, als er kam und ging."
Wir wurden also schon
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