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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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den Vorhang und kehrte
    zurück, bevor das Publikum begriff, was geschah.

    Er hielt nun die Harfe in den Händen.
    Glod stand in seiner Nähe und hörte, wie er murmelte: »Nur einmal .
    Ich bitte dich. Nur noch einmal … Und dann füge ich mich. Dann be-
    zahlle ich für alllles.«
    Von der Gitarre erklangen einige leise Akkorde.
    »Ich meine es ernst«, sagte Buddy.
    Die Antwort bestand aus mehreren kaum hörbaren Tönen.
    »Nur einmall.«
    Buddy sah zur leeren Stel e vor der Bühne und begann zu spielen.

    Jeder Ton war glockenklar und so umkompliziert wie der Sonnenschein.
    Im Prisma des Gehirns teilte er sich und schimmerte in Myriaden Far-
    ben.
    Glods Kinnlade klappte nach unten, als sich die Musik hinter seiner
    Stirn entfaltete. Es war keine Musik Mit Steinen Drin, obwohl sie die
    gleichen Türen benutzte. Die Melodie erinnerte Glod an das Bergwerk
    seiner Geburt, an Zwergenbrot, wie es seine Mutter auf dem Amboß
    schlug, an die erste große Liebe.* Er entsann sich des Lebens in den Höhlen unterm Kupferkopfberg, bevor er dem Ruf der Stadt folgte.
    Plötzlich wünschte er sich nichts sehnlicher, als daheim zu sein.
    Er hatte nicht gewußt, daß Menschen auf diese Weise singen konnten.
    Klippe legte die Hämmer beiseite. Die gleiche Melodie kroch ihm in
    die korrodierten Ohren, doch er fühlte sich von ihr an Steinbrüche und
    Moorlandschaften erinnert. Gefühle fül ten ihm den Schädel mit menta-
    lem Dunst. Er versprach sich, nach diesem Auftritt heimzukehren, um
    festzustellen, wie es seiner alten Mutter ging, und anschließend wollte er
    die Heimat nie wieder verlassen.
    Herr Schnapper merkte, wie sein Gehirn seltsame und ungewohnte
    Gedanken entwickelte. Sie drehten sich um Dinge, die man nicht verkau-
    fen konnte, für die niemand bezahlen sol te…

    * Er hatte den Goldklumpen noch irgendwo.

    Der Dozent für neue Runen klopfte an die Kristal kugel.
    »Klingt ein wenig blechern«, meinte er.
    »Geh aus dem Weg, ich kann überhaupt nichts sehen«, sagte der De-
    kan.
    Der Dozent setzte sich wieder.
    Die Zauberer betrachteten das kleine Bild.
    »Klingt nicht nach Musik Mit Steinen Drin«, kommentierte der Quä-
    stor.
    »Sei still.« Der Dekan schneuzte sich die Nase.
    Es war traurige Musik, aber sie trug die Trauer wie ein Banner. Sie teil-
    te folgendes mit: Das Universum hat dir alles angetan, was es dir antun
    konnte, aber du bist noch immer am Leben.
    Der Dekan – er nahm neue Eindrücke ebenso bereitwillig auf wie
    warmes Wachs – fragte sich, ob er es einmal mit der Mundharmonika
    versuchen sol te.

    Der Glanz des letzten Tons verblaßte.
    Kein Applaus erhob sich. Die Zuhörer seufzten leise, als jeder einzelne
    aus einer nachdenklichen Ecke der eigenen Welt zurückkehrte. Hier und
    dort murmelte jemand: »Ja, so ist das« oder: »Ach, wir sind doch Brüder«.
    Viele Leute schnieften, während sie sich umarmten.
    Und dann setzte sich wieder die Realität durch, so wie immer.
    Glod hörte, wie Buddy ganz leise »Danke« sagte.
    Der Zwerg beugte sich zur Seite und fragte aus dem Mundwinkel:
    »Was war das?«
    Buddy schüttelte sich kurz und schien zu erwachen.
    »Was? Oh. Ein Lied, das Sioni Bod Da heißt. Was hältst du davon?«
    »Oh, es hat… Tiefe«, erwiderte Glod. »Ja, es hat eindeutig Tiefe.«
    Klippe nickte. Wenn man weit vom vertrauten Bergwerk oder Berg
    entfernt war, wenn man unter Fremden weilte, wenn man im Innern nur
    eine große, schmerzende Leere fühlte… dann konnte man mit richtiger
    Tiefe singen.

    »Sie beobachtet uns«, flüsterte Buddy.
    »Die unsichtbare junge Dame?« fragte Glod und sah zur leeren Stelle
    vor der Bühne.
    »Ja.«
    »Ah, ja. Ich kann sie nicht sehen. Weil sie unsichtbar ist. Genau. Und
    wenn du jetzt nicht Musik Mit Steinen Drin spielst, sind wir gleich al e
    tot.«
    Buddy griff nach der Gitarre. Die Saiten vibrierten unter seinen Fin-
    gern. Glück erfül te ihn. Er hatte das Lied spielen dürfen, hier vor diesem Publikum. Alles andere war nebensächlich. Was auch immer jetzt geschah – es hatte an Bedeutung verloren.
    »Jetzt geht es erst richtig los«, sagte Buddy.
    Er stampfte mit dem Fuß.
    »Eins, zwei, eins zwei drei vier…«
    Glod blieb gerade Zeit genug, den Rhythmus zu erkennen, bevor ihn
    die Musik mitriß. Es war die gleiche Melodie wie vorhin, aber diesmal
    steckte weitaus mehr Druck dahinter.

    Ponder blickte in die Schachtel.
    »Ich glaube, wir fangen etwas, Erzkanzler«, sagte er. »Aber ich weiß
    nicht, was es ist.«
    Ridcully

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