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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zurück!«
    Ich habe dich nie fortgebracht.
    Susanne blinzelte. Sie standen nach wie vor auf der Straße. Die Luft
    schimmerte und knisterte und war voll nassem Schnee.
    Sie blickte in Buddys entsetzte Miene.
    »Wir müssen weg von…«
    Er hob eine durchsichtige Hand.
    Klippe existierte kaum mehr. Glod versuchte, den Beutel mit dem
    Geld festzuhalten, aber seine Finger glitten durch das Leder. Im Gesicht
    des Zwergs stand die Angst vor dem Tod – oder vor der Armut.
    »Das ist nicht fair !« rief Susanne. »Er hat dich weggeworfen!«

    Grelles blaues Licht raste über die Straße. Kein Karren oder Wagen
    konnte so schnel sein. Begleitet wurde der Glanz von einem sonderba-
    ren Heulen – so klingt ein Kamel, das gerade zwei Ziegelsteine gesehen
    hat.
    Das Licht erreichte die Kurve, stieß gegen einen Felsen und sprang
    über den Rand des Abgrunds.
    Die Zeit reichte gerade aus, daß eine hohle Stimme OH, MIST sagen
    konnte, bevor…
    … bevor etwas an die gegenüberliegende Seite der Schlucht pral te und dort in einem Funkenregen zerplatzte.

    Knochen fielen in die Schlucht, blieben tief unten liegen und rührten
    sich nicht mehr.

    Susanne drehte sich um und holte mit der Sense aus. Doch die Musik
    vibrierte in der Luft; sie hatte keine Seele, nach der man zielen konnte.
    Man konnte dem Universum mitteilen: Das ist nicht fair. Und es antwortete vermutlich: Ach, tatsächlich nicht? Entschuldige.
    Man konnte Personen retten. Manchmal war es möglich, im sprich-
    wörtlichen letzten Augenblick zur Stelle zu sein. Doch dann schnippte
    etwas mit den Fingern und sagte: Nein, es muß auf diese Weise geschehen. Ich zeige dir die Ereignisse. So sol die Legende beschaffen sein.
    Susanne versuchte, Buddys Hand zu ergreifen, spürte dabei vor al em
    Kälte.
    »Kannst du mich hören?« rief sie, um die triumphierenden Akkorde zu
    übertönen.
    Der junge Mann nickte.
    »Es ist… wie eine Legende! Es muß geschehen! Und ich kann nichts
    dagegen unternehmen – wie sol man Musik töten?«
    Susanne eilte zum Rand der Schlucht. Unten brannte der Karren. Sie
    erscheinen nicht plötzlich in dem Trümmerhaufen. Wenn es so weitergeht, haben sie den Karren nie verlassen!
    »Ich kann nichts dagegen tun! Es ist nicht fair !«
    Sie schüttelte die Fäuste.
    »Großvater!«

    Blaue Flammen flackerten zwischen den Felsen im trockenen Flußbett.
    Ein kleiner Fingerknochen rol te über die Steine, bis er einen anderen,
    größeren Knochen erreichte.
    Ein dritter fiel von einem Felsvorsprung und gesel te sich dazu.
    Im Halbdunkel klapperte es, als sich kleine weiße Schemen bewegten,
    zwischen den Steinen hin und her tasteten, bis sich schließlich eine Hand
    hob und mit dem Zeigefinger gen Himmel deutete.

    Kurz darauf klapperte es erneut, diesmal dumpfer, als längere Dinge
    durch die Düsternis krochen.

    »Ich wol te es besser machen!« rief Susanne. »Was hat es für einen Sinn,
    der Tod zu sein, wenn man ständig irgendwelche dummen Regeln beach-
    ten muß?«
    BRING SIE ZURÜCK.
    Susanne drehte sich um und sah, wie ein Zehenknochen unter Tods
    schwarzen Umhang kroch, um dort an seinen Platz zurückzukehren.
    Ihr Großvater trat vor, griff nach der Sense, holte aus und schmetterte
    sie an einen nahen Felsen. Die Klinge zerbrach.
    Er bückte sich und hob einen kleinen Splitter auf, der wie ein winziger
    Stern aus blauem Eis zwischen seinen Fingern glänzte.
    ICH HABE KEINE BITTE AN DICH GERICHTET.
    Der fal ende Schnee tanzte, als die Musik sprach.
    Du kannst mich nicht töten.
    Tod holte die Gitarre unter dem Umhang hervor. Ihr fehlten einige
    Teile, doch darauf kam es nicht an. Ihre Konturen glühten, ebenso die
    Saiten.
    Tod nahm eine Haltung ein, von der Crash nur träumen konnte. Er
    hob die Hand, und zwischen seinen Fingern funkelte der Klingensplitter.
    Wenn Licht Töne von sich geben könnte, hätte man jetzt ein Ting gehört.
    Er wollte der berühmteste Musiker der Welt werden. Es muß ein Gesetz geben.
    Das Schicksal nimmt seinen Lauf.
    Dieses eine Mal schien Tod nicht zu lächeln.
    Die Hand senkte sich den Saiten entgegen.
    Es erklangen keine Geräusche.
    Im Gegenteil: Stille beendete ein Geräusch, von dem Susanne erkann-
    te, daß sie es dauernd gehört hatte, die ganze Zeit über. Ein Geräusch,
    das man überhaupt nicht merkt, bis es plötzlich verschwindet…
    Die Saiten schwiegen.

    Es gibt Millionen von Akkorden. Und es gibt Millionen von Zahlen.
    Doch niemand denkt an die Nul . Ohne die Nul sind Zahlen nur Arith-
    metik.

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