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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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scharfsinning«, erwiderte der Rabe. »Hör mal, ich hab nicht um
    diese Sache gebeten. In al er Seelenruhe schlief ich auf meinem Schädel,
    und dann zog mich jemand am Bein. Als Rabe bin ich von Natur aus ein
    okkulter Vogel…«
    »Entschuldige bitte«, unterbrach Susanne. »Ich weiß, daß dies nur ein
    Traum ist, aber ich möchte ihn richtig verstehen. Du hast auf deinem
    Schädel geschlafen?«
    »Oh, nicht auf meinem Schädel. Er gehört jemand anders.«
    »Wem?«
    Der Rabe rol te beide Augen in verschiedene Richtungen. Er schien sie
    nicht synchronisieren zu können. Susanne widerstand nur mit Mühe der
    Versuchung, ihren Bewegungen zu folgen.
    »Woher soll ich das wissen?« entgegnete der Vogel. »Glaubst du etwa,
    daß ein Name darauf steht? Es ist nur ein Schädel. Ich arbeite für einen
    Zauberer, drüben in der Stadt. Den ganzen Tag über sitze ich auf dem
    Schädel und mache ›Krah‹, wenn sich jemand nähert.«

    »Warum?«
    » Weil auf einem Schädel zu sitzen und ›Krah‹ zu machen, einen mindestens ebenso wichtigen Beitrag für die richtige Atmosphäre im Arbeits-
    zimmer eines Zauberers leistet wie der ausgestopfte Alligator an der
    Decke. Weißt du denn gar nichts? Ich dachte immer, darüber wüßten selbst Leute Bescheid, die nur wenig wissen. Wenn ein Zauberer keinen Raben hat, der auf einem Schädel sitzt und ›Krah‹ macht… das ist, wie
    keine Flaschen zu haben, in denen grüne Flüssigkeit blubbert…«
    QUIEK!
    »Menschen brauchen immer eine Einleitung«, sagte der Rabe und
    seufzte. Ein Auge peilte Susanne an. »Die Feinheiten sind ihm völlig
    gleich. Ratten diskutieren keine philosophischen Dinge, wenn sie tot
    sind. Wie dem auch sei: Ich bin hier weit und breit der einzige, der spre-
    chen kann…«
    »Menschen können sprechen«, warf Susanne ein.
    »Oh, ja«, bestätigte der Rabe. »Aber ein wichtiger Unterschied ist, daß
    sie nicht Gefahr laufen, mitten in der Nacht von einem Rattenskelett
    geweckt zu werden, das dringend einen Dolmetscher braucht. Außerdem
    können Menschen den Rattentod gar nicht sehen.«
    »Ich sehe ihn.«
    »Da hast du den kritischen Punkt berührt«, sagte der Rabe. »Man könn-
    te auch sagen, du hast ins Schwarze getroffen.«
    »Hör mal…«, begann Susanne. »Ich glaube überhaupt nichts von dieser
    ganzen Angelegenheit. Ich halte es für absurd zu glauben, daß es einen
    Rattentod gibt, ausgestattet mit Kapuzenmantel und Sense.«
    »Er steht direkt vor dir.«
    »Das ist noch lange kein Grund, seine Existenz auch nur in Erwägung
    zu ziehen.«
    »Ganz offensichtlich bist du richtig gebildet«, bemerkte der Rabe verdrießlich.
    Susanne starrte auf den Rattentod hinab. In seinen kleinen, leeren Au-
    genhöhlen glühte es blau.
    QUIEK.

    »Er ist wieder fort«, meinte der Rabe. »Darum geht’s.«
    »Wer?«
    »Dein… Großvater.«
    »Opa Lezek? Wie kann er wieder fort sein? Er ist tot.«
    »Dein… äh, anderer Großvater«, sagte der Rabe.
    »Ich habe keinen anderen…«
    Bilder stiegen aus dem Schlamm am Grund von Susannes Bewußtsein.
    Vage Eindrücke… von einem Pferd… von einem Zimmer, in dem es
    flüsterte und raunte. Von einer Badewanne, irgendwo. Seltsamerweise
    gehörten auch weite Weizenfelder dazu.
    »So etwas passiert, wenn Menschen versuchen, ihren Kindern eine gute
    Bildung angedeihen zu lassen«, fuhr der Rabe fort, »anstatt ihnen die
    Wahrheit zu sagen.«
    »Ich dachte, mein anderer Großvater sei ebenfal s… tot«, murmelte
    Susanne.
    QUIEK.
    »Die Ratte möchte, daß du sie begleitest. Angeblich ist es sehr wichtig.«
    Das Bild von Frau Anstand kam über sie wie eine Walküre. Dies al es
    ist dumm.
    »O nein«, sagte Susanne. »Inzwischen muß es bereits Mitternacht sein.
    Und morgen habe ich eine Prüfung in Geographie.«
    Der Rabe öffnete verblüfft den Schnabel.
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, entfuhr es ihm.
    »Hast du etwa gedacht, daß ich mir von… einem Rattenskelett und ei-
    nem sprechenden Raben etwas befehlen lasse? Ich gehe zurück!«
    »Nein«, widersprach der Rabe. »Du gehst nicht zurück, wenn du auch
    nur ein wenig Mumm in dir hast. In der Schule entdeckst du nichts. Dort
    bekommst du nur Bildung.«
    »Ich habe keine Zeit «, jammerte Susanne.
    »Ach, Zeit«, sagte der Rabe. »Zeit ist nur eine Angewohnheit. Für dich spielt sie kaum eine Rolle.«
    »Wie…«

    »Du mußt es herausfinden.«
    QUIEK.
    Der Rabe sprang erregt auf und ab.
    »Darf ich es ihr sagen? Darf ich es ihr sagen?« krächzte er und

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