Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Anstand Wörter wie »Kumpel« kannte.

    Die drei Schülerinnen wanderten nun über den Birkenweg am Rand
    des Sportplatzes.
    »Sport verstehe ich nicht«, sagte Gloria. Sie sah zu den schnatternden
    und keuchenden Mädchen, die jenseits der Seitenlinie umherliefen.
    »Es gibt da ein Trollspiel namens Aargrooha «, verkündete Jade.
    »Wie wird es gespielt?« fragte Susanne.
    »Äh… man reißt einem Menschen den Kopf ab und tritt ihn mit spezi-
    ellen Stiefeln aus Obsidian, bis er entweder im Tor landet oder platzt.
    Inzwischen ist das Spiel aus der Mode geraten«, fügte Jade rasch hinzu.
    »Kann ich mir denken«, kommentierte Susanne.
    »Vermutlich weiß niemand mehr, wie man die Stiefel anfertigt«, speku-
    lierte Gloria.
    »Wenn man es jetzt noch spielen würde…«, meinte Jade. »Dann stünde
    vielleicht jemand wie die Eiserne Lily an der Seitenlinie und riefe von
    dort: ›Ran an den Kopf, ihr schlaffen Tanten!‹«
    Eine Zeitlang wanderten sie schweigend.
    »Ich glaube, sie würde andere Worte benutzen«, sagte Gloria vorsichtig.
    »Ist euch in letzter Zeit etwas… äh… Seltsames aufgefallen?« fragte
    Susanne.
    »Etwas Seltsames?« wiederholte Gloria.
    »Nun, zum Beispiel… Ratten…«
    »Ich habe im Internat nirgends Ratten gesehen«, erwiderte Gloria.
    »Und ich habe aufmerksam Ausschau gehalten.«
    »Ich meine… seltsame Ratten.«
    Sie erreichten die Stäl e. Normalerweise dienten sie den beiden Pferden
    der Internatskutsche als Heim. Außerdem wohnten dort einige wenige
    Rösser der Schülerinnen, die sich nicht von ihnen trennen konnten.
    Manche Mädchen wären nicht einmal dann imstande, Ordnung in ih-
    rem Zimmer zu schaffen, wenn ihr eigenes Überleben davon abhinge.
    Und die gleichen Mädchen gäben al es für das Privileg, den ganzen Tag
    über Mist in einem Stal zu schaufeln. Dies war eine besondere Form der
    Magie, die auf Susanne ohne Wirkung blieb. Sie hatte nichts gegen Pfer-
    de, doch mit Zaumzeug und Gurten konnte sie sich nicht recht anfreun-

    den. Außerdem blieb ihr ein Rätsel, warum man Pferde in »Handbreiten«
    maß, obgleich viel vertrautere Zoll und Zentimeter zur Verfügung stan-
    den. Nachdem Susanne die in Reithosen gekleideten Mädchen bei den
    Stäl en eine Zeitlang beobachtet hatte, glaubte sie, eine Erklärung gefun-
    den zu haben: Diese Schülerinnen benutzten ihre Hände als Maßstab,
    weil sie nicht mit so komplizierten Apparaten wie Linealen umgehen
    konnten.
    »Na schön«, sagte Susanne. »Was ist mit Raben?«
    Etwas blies ihr ins Ohr.
    Sie drehte sich um.
    Der weiße Hengst stand mitten auf dem Weg wie ein schlechter Spezi-
    aleffekt. Er war zu hell. Er glühte. Er schien das einzige wirkliche Wesen
    in einer Welt aus blassen Schemen zu sein. Im Vergleich mit den knolli-
    gen Ponies in den Boxen war er ein Riese.
    Zwei in Reithosen gekleidete Mädchen standen neben dem weißen
    Pferd. Susanne erkannte Kassandra Fuchs und Lady Sara Dankbar. Sie
    teilten eine innige Liebe für al es, was vier Beine hatte und wieherte. Au-
    ßerdem verachteten sie al e Geschöpfe, die nicht über vier Beine verfügten und wieherten, hatten die Fähigkeit, die Welt mit den Zähnen zu
    betrachten und das Geschick, Silben wie »oh« mit vier Vokalen auszu-
    statten.
    Der weiße Hengst schnaubte leise und beschnüffelte Susannes Hand.
    Du bist Binky, dachte sie. Ich kenne dich. Ich bin auf dir geritten.
    Du… gehörst mir. Glaube ich.
    »Ich frage mich, wem dieses Pferd gehört«, ließ sich Lady Sara ver-
    nehmen.
    Susanne drehte den Kopf.
    »Wie bitte?« erwiderte sie. »Mir? Ja. Ja, ich denke, es gehört mir.«
    »Oiuah? Es stand in der Box neben Brauni. Ich wußte gar nicht, daß du
    hier ein Pferd hast. Du wirst es doch nicht etwa versäumt haben, Frau
    Anstands Erlaubnis einzuholen, oder?«
    »Der Hengst ist ein Geschenk«, sagte Susanne. »Von… jemandem…?«

    In den trüben Wassern von Susannes Gedächtnis rührte sich etwas. Sie
    überlegte, warum sie von einem Geschenk gesprochen hatte. Ein Ge-
    schenk von ihrem Großvater… sonderbar. Seit Jahren habe ich nicht
    mehr an ihn gedacht, fuhr es ihr durch den Sinn. Bis gestern nacht.
    Ich erinnere mich an den Stal . Er war so groß, daß man nicht die
    Wände sehen konnte. Einmal durfte ich reiten, und jemand hielt mich
    fest, damit ich nicht herunterfiel. Aber von einem solchen Pferd kann
    man gar nicht herunterfallen. Es sei denn, man will es.
    »Oiuah. Ich wußte gar nicht, daß du reitest.«
    »Ich… bin geritten,

Weitere Kostenlose Bücher