Rollende Steine
einem geschmacklosen Garten
gemalt, vor deren Tür eine Matte lag, auf der »Willkommen« stand.
Susannes Barrieren aus gesundem Menschenverstand waren bisher un-
durchdringbar gewesen. Jetzt schmolzen sie wie Salz im Regen, und das
weckte Zorn in ihr.
Ihr fiel Großvater Lezek ein. Er lebte auf einem so kleinen und ärmli-
chen Bauernhof, daß selbst die Spatzen niederknien mußten, wenn sie
etwas essen wollten. Er war ein sympathischer Alter gewesen, wenn sich
Susanne richtig erinnerte. In der Gegenwart ihres Vaters war er stets
verlegen gewesen…
Von ihrer Mutter wußte Susanne, daß deren eigener Vater…
Dünne Falten bildeten sich auf ihrer Stirn. Was hatte sie von ihrer
Mutter erfahren? Eltern waren erstaunlich geschickt darin, mit vielen
Worten nichts zu sagen. Susanne begriff damals nur, daß der Vater ihrer Mutter häufig geschäftlich unterwegs war.
Jetzt verstand sie, daß alle lebenden Personen zu seinen Kunden zählten, ob sie es wol ten oder nicht.
Es war wie die Entdeckung eines wichtigen Verwandten.
Ein Gott… ja, ein Gott wäre wirklich interessant gewesen. Lady Odile
Klamm, Internatsschülerin in der fünften Klasse, brüstete sich immer
damit, daß ihre Ururgroßmutter vom Gott Blinder Io verführt worden
war – angeblich hatte er sich ihr in Form einer Vase mit Gänseblümchen
präsentiert. Dadurch wurde Odile gewissermaßen zu einer Halbhalb-
halbgöttin. Sie und ihre Mutter wiesen gerne darauf hin, um zum Beispiel
einen guten Tisch im Restaurant zu bekommen. Zu erwähnen, eine nahe
Verwandte des Todes zu sein… hatte sicher nicht den gleichen Effekt.
Damit bekam sie wahrscheinlich nicht einmal einen Platz in Küchennä-
he.
Wenn diese ganze Sache ein Traum war, so schien kaum das Risiko zu
bestehen, daß sie vorzeitig erwachte. Susanne weigerte sich ohnehin, an
so etwas zu glauben. Träume waren anders.
Vom Stal führte ein Pfad am Gemüsegarten vorbei. Dahinter setzte er
sich mit leichtem Gefäl e zum Obstgarten fort. Die Bäume dort hatten
schwarze Blätter. Glänzende schwarze Äpfel hingen an den Zweigen.
Ein Dutzend Meter entfernt standen weiße Bienenstöcke.
Sie sah dies al es nicht zum erstenmal.
Es gab auch einen Apfelbaum, der sich von den übrigen unterschied.
Sie blieb stehen und sah sich um. Erinnerungen durchfluteten sie.
Sie erinnerte sich, daß sie gerade alt genug gewesen war, um die
Dummheit eines solchen Konzepts zu erkennen. Er hatte dort drüben gestanden, sie aufmerksam beobachtet und auf eine Reaktion gewartet…
Alte Gewißheiten wichen zurück; neue Gewißheiten nahmen ihren
Platz ein.
Jetzt wußte Susanne, wessen Enkelin sie war.
In der Geflickten Trommel vertrieb man sich traditionsgemäß mit den üblichen Spielen die Zeit: Domino, Pfeilwerfen sowie Leute-hinterrücks-
niederstechen-und-sie-ausrauben. Der neue Inhaber war entschlossen,
anspruchsvollere Kunden zu gewinnen – anspruchslosere gab es ohnehin
nicht.
Er versuchte es zunächst mit dem sogenannten Befragungsapparat: ei-
ne drei Tonnen schwere, von Wasser angetriebene Monstrosität, die auf
einer kürzlich gefundenen Konstruktionszeichnung Leonard von Quirms
basierte. Die Sache erwies sich als keine besonders gute Idee. Haupt-
mann Karotte von der Wache – hinter seiner lächelnden Miene verbarg
sich ein messerscharfer Verstand – fügte den vorgesehenen Fragen einige
weitere hinzu, zum Beispiel: Warst du in der Nacht zum Fünfzehntigen in der Nähe von Vortin Diamants Lagerhaus? Und: Wer war der dritte Manne beim Überval auf Bärdrückers Brennerei in der lätzten Woche? Es gelang ihm, drei Gäste zu verhaften, bevor die anderen Verdacht schöpften.
Der Wirt hatte versprochen, bald eine andere Maschine zu besorgen.
Der Bibliothekar, ein Stammgast der Taverne, sammelte bereits Cent-
Münzen dafür.
Auf der einen Seite des Raumes gab es eine kleine Bühne. Der Wirt
hatte dort eine Stripteasetänzerin auftreten lassen, al erdings nur einmal.
Als das arme Mädchen in der vordersten Reihe einen breit grinsenden
Orang-Utan sah, der in der einen Hand einen Beutel mit Münzen und in
der anderen eine große Banane hielt, ergriff sie die Flucht, und die Geflickte Trommel kam bei einer weiteren Unterhaltungsgilde auf die schwarze Liste.
Der neue Inhaber hieß Hibiskus Dunelm. Es war nicht seine Schuld.
Er wollte wirklich dafür sorgen, daß man in der Trommel Spaß haben konnte. Dafür wäre er sogar dazu bereit, die Krüge und Gläser mit bun-ten
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