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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Zeitpunkt für gekom-
    men hielt.
    Jetzt setzte er sich auf und starrte an der Kerze vorbei ins Nichts.
    »Sie hat sich an das Bad erinnert«, murmelte er. »Und sie weiß von
    Dingen, die sie eigentlich gar nicht gesehen haben kann. Niemand hat ihr
    etwas erzählt. Daraus folgt, daß sie sein Gedächtnis hat. Sie hat es von ihm geerbt .«
    QUIEK, sagte der Rattentod. Nachts saß er häufig am Feuer.
    »Als er zum letztenmal fortging, hörten die Leute plötzlich auf zu ster-
    ben«, erinnerte sich Albert. »Das ist diesmal nicht der Fal . Und das
    Pferd hat sie geholt. Das bedeutet, sie füllt das Loch.«
    Er blickte in die Finsternis. Wenn er nervös wurde, begann er immer
    zu kauen und zu saugen, als wol te er einen kleinen Brocken vom
    Abendessen aus einem hohlen Zahn entfernen. Die Geräusche, die er
    dabei verursachte, klangen nach einem Klempner, der versucht, einen
    verstopften Abfluß in Ordnung zu bringen.

    Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals jung gewesen zu sein. Es
    mußte Jahrtausende zurückliegen. Er war jetzt neunundsiebzig, aber in
    Tods Haus war die Zeit eine erneuerbare Ressource.
    Vage entsann er sich, daß die Kindheit eine recht schwierige Phase sein
    konnte, vor al em, wenn sie zu Ende ging. Dann gab’s Probleme mit
    Pickeln, und diverse Körperteile entwickelten plötzlich ein sonderbares
    Eigenleben. Wenn man dann außerdem auch noch für Tod einspringen
    mußte…
    Doch es ließ sich nicht vermeiden. Das war die ebenso unangenehme
    wie unausweichliche Wahrheit. Es war unbedingt erforderlich, daß jemand Tod vertrat.
    Auf den Grund dafür wurde bereits hingewiesen: Tod leistete einen
    al gemeinen Dienst, keinen besonderen.
    Ähnlich verhält es sich mit der Monarchie.
    Wenn man als Untertan in einer Monarchie lebt, wird man vom Mon-
    archen regiert. Die ganze Zeit über. Ob man wacht oder schläft. Womit
    auch immer man gerade beschäftigt ist.
    Es gehört zu den allgemeinen Bedingungen der Situation. Die Königin
    muß nicht extra Hausbesuche machen, sich im bequemsten Sessel nie-
    derlassen, Anspruch auf die Fernbedienung erheben und eine Tasse Tee
    ordern. Al es passiert automatisch wie die Gravitation. Im Gegensatz zur
    Gravitation wird al erdings ganz oben eine Person benötigt. Von ihr er-
    wartet man nicht viel. Sie muß einfach nur dasein. Sie muß einfach nur
    sein.
    »Aber ausgerechnet sie ?« fragte Albert.
    QUIEK.
    »Bestimmt dreht sie schon bald durch. O ja. Man kann nicht gleichzei-
    tig unsterblich und sterblich sein. Das zerreißt einen. Meine Güte, sie tut mir fast leid.«
    QUIEK, pflichtete ihm der Rattentod bei.
    »Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste«, sagte Albert. »Warte
    nur, bis sie sich auch an den Rest erinnert…«
    QUIEK.

    »Ja, genau.« Albert nickte. »Ich schlage vor, du beginnst sofort, ihn zu suchen.«

    Susanne erwachte und wußte nicht, wie spät es war.
    Auf dem Nachtschränkchen stand ein Wecker, denn Tod wußte, daß
    solche Dinge auf Nachtschränkchen stehen sol ten. Geschmückt war er
    mit Totenschädeln, Knochen und dem Omegazeichen. Außerdem funk-
    tionierte er nicht. Keine der Uhren im Haus funktionierte, abgesehen
    von dem speziellen Exemplar im Flur. Alle anderen litten sofort an De-
    pressionen und blieben stehen. Oder die aufgezogenen Federn verloren
    auf einen Schlag ihre Spannung.
    Das Zimmer erweckte den Eindruck, als wäre gestern jemand ausgezo-
    gen. Haarbürsten lagen auf der Frisierkommode neben einigen Schmink-
    utensilien. An der Tür hing ein Morgenmantel mit einem Kaninchenbild
    auf der Tasche. Es hätte viel eicht etwas hübscher ausgesehen, wenn es
    kein Skelett gewesen wäre.
    Susanne kramte in den Schubladen – sie nahm an, daß sie sich im
    ehemaligen Zimmer ihrer Mutter aufhielt. Jede Menge Rosarot zeigte
    sich den Blicken des Mädchens. Nun, sie hatte nichts gegen Rosarot an
    sich, aber dieses hier überschritt die Grenzen des Tolerierbaren weit. Susanne entschied, ihre Internatskleidung anzuziehen.
    Wichtig war jetzt vor allem, ruhig zu bleiben. Es gab für alles eine ver-
    nünftige Erklärung, selbst wenn man sie erfinden mußte.
    QUIEFF.
    Der Rattentod landete auf der Frisierkommode, und seine kleinen
    Kral en suchten nach Halt. Er nahm die Sense aus dem Maul.
    »Ich glaube«, sagte Susanne vorsichtig, »ich würde jetzt gern heimkeh-
    ren, danke.«
    Die kleine Ratte nickte.
    Sie sprang zum Rand des rosaroten Teppichs und eilte in den dunklen
    Flur davon.
    Als Susanne vom Teppich heruntertrat, blieb

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