Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
zurück.
    »Ich erinnere mich, als man dich hierher brachte«, sagte er. »Er stellte
    immer wieder Fragen. Weil er neugierig ist. Und er mag Kinder. Oh, er
    begegnet vielen, aber… er bekommt kaum Gelegenheit, sie besser ken-
    nenzulernen, wenn du verstehst, was ich meine. Deine Eltern weigerten
    sich zuerst, aber dann gaben sie nach und brachten dich eines Tages zum
    Tee hierher, damit er endlich Ruhe gab. Sie hatten große Bedenken und
    glaubten, du würdest dir vor lauter Schrecken die Lungen aus dem Leib
    schreien. Aber du hast nicht etwa geschrien, sondern gelacht. Daraufhin bekam’s dein Vater mit der Angst zu tun. Nun, sie brachten dich noch
    ein paarmal hierher, als er darum bat, doch dann fürchteten sie schlimme
    Folgen für dich, und dein Papa sprach ein Machtwort. Nur er war im-
    stande, dem Herrn die Stirn zu bieten. Tja. Damals bist du etwa vier ge-
    wesen.«
    Susanne hob die Hand und tastete nach den blassen Linien auf ihrer
    Wange.
    »Der Herr sprach davon, daß man bei deiner Erziehung ›moderne‹ Me-
    thoden anwendet«, fuhr Albert fort. »Zum Beispiel Logik. Und Rationali-
    tät. Du sol test nicht an die alten Dinge glauben und so. Viel eicht glaub-
    ten deine Eltern, dich dadurch vor… bestimmten Vorstel ungen bewah-
    ren zu können…«
    »Ich durfte damals auf dem Pferd reiten«, sagte Susanne. Sie hörte gar
    nicht zu. »Und ich habe in der großen Badewanne gebadet.«

    »Überal klebte Schaum.« Auf Alberts Gesicht erschien der Schatten
    eines Lächelns. »Das Lachen deines Großvaters konnte ich bis hierher
    hören. Er hat dir auch eine Schaukel gebaut. Oder es zumindest ver-
    sucht. Ohne Magie. Mit seinen eigenen Händen.«
    Susanne saß reglos, während in ihr Erinnerungen erwachten, gähnten
    und sich streckten.
    »Das Bad…« sagte sie. »Jetzt weiß ich es wieder.«
    »Es war die ganze Zeit in dir, unter einer dicken Schicht geistiger Tün-
    che.«
    »Mit sanitären Anlagen kannte er sich nicht besonders gut aus. Übri-
    gens, was bedeuten die Initialen F J M R F D B-U-S-G B-S, A-M?«
    »Für junge Männer reservierter Fanklub des Blut-und-Schleim-Gottes
    Bel-Shamharoth, Ankh-Morpork«, antwortete Albert. »Da wohne ich,
    wenn ich in die andere Welt zurückkehre, um etwas zu erledigen. Dort
    gibt’s Seife und so.«
    »Aber du bist kein… junger Mann«, kam es über Susannes Lippen, be-
    vor das Gehirn Mund und Zunge kontrollieren konnte.
    »Niemand erhebt Einwände«, entgegnete der Alte scharf.
    Susanne zweifelte kaum daran. Sie spürte eine drahtige Kraft in Albert,
    als wäre sein ganzer Leib eine geballte Faust.
    »Er kriegt fast alles hin«, sagte sie zu sich selbst. »Aber einige Dinge
    versteht er nicht, zum Beispiel Instal ateurarbeiten.«
    »Ja«, bestätigte Albert. »Wir mußten einen Klempner aus Ankh-
    Morpork holen. Der Bursche meinte, er hätte nächste Woche Donners-
    tag Zeit, und solche Worte hört dein Großvater gar nicht gern. Ha! Hab
    nie zuvor einen Klempner so fix arbeiten sehen. Anschließend ließ ihn
    der Herr einfach vergessen. Er kann alle vergessen lassen, außer…« Al-
    bert unterbrach sich und runzelte die Stirn.
    »Ich schätze, ich muß mich damit abfinden«, fügte er hinzu. »Immerhin
    hast du ein Recht darauf, in gewisser Weise. Ich nehme an, du bist müde.
    Du kannst hier schlafen. Zimmer gibt’s genug.«
    »Nein, ich muß zurück! Es gibt jede Menge Ärger, wenn ich morgen
    früh nicht im Internat bin.«

    »Hier existiert nur die Zeit, die man mitbringt. Was hier passiert, ge-
    schieht einfach. Zeit hat damit kaum etwas zu tun. Wenn du möchtest,
    trägt Binky dich genau zu dem Zeitpunkt zurück, an dem du aufgebro-
    chen bist. Du kannst also ruhig eine Weile hierbleiben.«
    »Du hast eben ein Loch erwähnt, das mich angesaugt hat. Wie meinst
    du das?«
    »Du fühlst dich bestimmt besser, wenn du geschlafen hast«, erwiderte
    Albert.

    An diesem Ort gab es weder Tag noch Nacht. Das hatte Albert zunächst
    verwirrt. Es existierte nur die hel e Landschaft, über der sich ein schwar-
    zer Himmel mit Sternen wölbte. Die Sache mit Tag und Nacht schien
    Tod einfach nicht zu verstehen. Wenn Menschen im Haus wohnten,
    entfalteten sich die allgemeinen Aktivitäten auf der Grundlage eines 26-
    Stunden-Rhythmus. Überläßt man Menschen sich selbst, beschränken sie
    sich nicht auf den üblichen 24-Stunden-Tag. Der Zeit müssen sie sich beugen, doch dem Tag können sie einige Stunden mehr abgewinnen.
    Albert ging immer dann zu Bett, wenn er den

Weitere Kostenlose Bücher