Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Adoptivtochter,
    aber das verlor an Bedeutung, wenn sie Eltern wurden. Eltern waren nie jung. Sie warteten nur darauf, Eltern zu werden.
    Susanne erreichte das Ende der Regale.
    Tod stand vor ihrem Vater – beziehungsweise vor dem jungen Mann,
    der später einmal ihr Vater sein sollte.
    Drei rote Striemen glühten auf seiner Wange, wo Tods Hand sie ge-
    troffen hatte. In einem Reflex tastete Susanne nach den blassen Linien
    auf ihrer eigenen Wange.
    Aber so funktioniert Vererbung nicht.
    Zumindest nicht die… normale…
    Ihre Mutter – die junge Frau, die später einmal ihre Mutter sein sol te –
    preßte sich an eine Säule. Ihr Aussehen hatte sich mit zunehmendem
    Alter verbessert, fand Susanne. Zumindest war sie in der Wahl ihrer
    Kleidung anspruchsvoller geworden.
    Susanne schüttelte sich innerlich. Sie dachte an Mode? Ausgerechnet
    jetzt ?
    Tod stand vor Mort, in der einen Hand ein Schwert, in der anderen die
    Lebensuhr seines Lehrlings.
    DU AHNST NICHT, WIE SEHR ICH DAS BEDAUERE, sagte er.
    »Vielleicht doch«, erwiderte Mort.
    Tod hob den Kopf und begegnete Susannes Blick. In seinen leeren
    Augenhöhlen glühte es blau, und das Mädchen versuchte, mit den Schat-
    ten zu verschmelzen.
    Tod sah zu Mort, zu Ysabell, wieder zu Susanne und erneut zu Mort.
    Er lachte.
    Und drehte die Lebensuhr um.
    Er lachte abermals.
    Und schnippte mit den Fingern.
    Mort verschwand mit dem leisen »Plop!« implodierender Luft. Dassel-
    be wiederholte sich bei Ysabel und den anderen.

    Plötzlich herrschte Stille.
    Tod stellte das Stundenglas vorsichtig auf den Tisch und starrte eine
    Zeitlang an die Decke. Dann fragte er:
    ALBERT?
    Der Diener trat hinter einer Säule hervor.
    SEI BITTE SO NETT UND BRING MIR EINE TASSE TEE.
    »Ja, Herr. Hehe, du hast es ihm ganz schön gegeben…«
    DANKE.
    Albert eilte in Richtung Küche.
    Erneut war es still. Soweit es im Zimmer mit den Lebensuhren über-
    haupt still sein konnte.
    KOMM HERAUS.
    Susanne folgte der Aufforderung und trat vor die Letzte Realität.
    Tod war zwei Meter zehn groß und wirkte noch größer. Susanne ent-
    sann sich vage an eine Gestalt, die sie auf den Schultern durch große
    dunkle Räume trug. In ihrer Erinnerung war er immer eine Art Mensch
    gewesen – jemand, der mehr Knochen zu haben schien als andere Leute,
    aber immer menschlich blieb, auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte.
    Diese Erscheinung hingegen war nicht menschlich. Groß, stolz und
    schrecklich ragte sie vor Susanne auf. Gelegentlich entschied sie, die Re-
    geln hier und dort etwas freier als sonst auszulegen, aber das machte die
    Gestalt keineswegs menschlicher. Dies ist der Hüter des Weltentores,
    dachte Susanne. Per definitionem unsterblich. Das Ende al en Seins.
    Er ist mein Großvater.
    Wird es sein. Ist es. War es.
    Susannes Gedanken kehrten zu dem Etwas im Apfelbaum zurück. Sie
    sah an dem Schwarz vor ihr empor und dachte dabei an den Baum. Für
    beide Bilder schien in einem Bewußtsein nicht genug Platz zu sein.
    NA SOWAS, sagte Tod. DU HAST VIEL VON DEINER MUTTER.
    UND VON DEINEM VATER.
    »Woher weißt du, wer ich bin?« fragte Susanne.
    ICH HABE EIN EINZIGARTIGES GEDÄCHTNIS.

    »Aber wie kannst du dich an mich erinnern ?Ich bin noch nicht einmal geboren!«
    ICH HABE VON EINZIGARTIGKEIT GESPROCHEN. DEIN
    NAME LAUTET…
    »Susanne, aber…«
    SUSANNE? wiederholte Tod bitter. SIE WOLLTEN WIRKLICH
    AUF NUMMER SICHER GEHEN, WIE?
    Er setzte sich, hielt die Fingerspitzen aneinander und musterte Susan-
    ne.
    Sie hielt seinem Blick stand.
    SAG MIR…, ließ sich Tod nach einer Weile vernehmen. WAR ICH…
    WERDE ICH… BIN ICH EIN GUTER GROSSVATER?
    Susanne biß sich nachdenklich auf die Lippe.
    »Wenn ich dir Antwort gebe… entsteht dadurch nicht ein Paradoxon?«
    NICHT FÜR UNS.
    »Nun, du hast harte Knie.«
    Tod starrte sie groß an.
    HARTE KNIE?
    »Ja. Tut mir leid.«
    BIST DU HIERHERGEKOMMEN, UM MIR ZU SAGEN, DASS
    ICH HARTE KNIE HABE?
    »Du wirst vermißt. In… äh… der Zeit, aus der ich komme. Ich muß die
    Pflicht erfül en. Albert ist sehr besorgt. Ich habe beschlossen, dich hier zu besuchen, um… Aufschluß zu erhalten. Ich wußte nicht, daß mein Vater
    für dich arbeitete.«
    ER HATTE EIGENE VORSTELLUNGEN VON DER PFLICHT.
    »Was hast du mit ihm gemacht?«
    ER UND DEINE MUTTER SIND VORERST IN SICHERHEIT.
    ICH BIN FROH, DASS ES VORBEI IST. DIE STÄNDIGE
    PRÄSENZ VON MENSCHEN BEGANN MICH ZU
    BEEINFLUSSEN. AH, ALBERT…
    Albert erschien mit einem Tablett am Rand des

Weitere Kostenlose Bücher