Rollende Steine
draußen rufen was«, meinte Glod. »Hört mal.«
Das Gebrül hatte einen gewissen Rhythmus.
»Klingt wie ›Steine, Steine, Steine‹«, spekulierte Klippe.
Die Tür sprang auf, und Schnapper kam in einer Mischung aus Laufen
und Fallen herein.
»Ihr müßt auf die Bühne!« stieß er hervor. »Sofort!«
»Ich dachte, die Jungs von der anderen Band…«, begann Glod.
»Ach, frag bloß nicht!« unterbrach ihn Schnapper. »Kommt! Wenn ihr
nicht sofort auftretet, macht das Publikum Kleinholz aus der Kaverne !«
Asphalt griff nach den Steinen.
»In Ordnung«, sagte er.
»Nein«, sagte Buddy.
»Wie bitte?« entfuhr es Schnapper. »Hast du etwa Lampenfieber?«
»Nein. Musik sol te frei sein. So frei wie die Luft und der Himmel.«
Glod drehte den Kopf. In Buddys Stimme vibrierte etwas.
»Ja, genau, bin ganz deiner Meinung«, erwiderte Schnapper. »Aber die
Gilde…«
Buddy streckte die Beine und stand auf.
»Ich nehme an, die Leute mußten Eintritt bezahlen, oder?« erkundigte
er sich.
Glod sah die anderen an. Niemand schien es zu bemerken: Eine be-
sondere Schärfe erklang in Buddys Worten, ein leises Zischen wie von
Saiten.
»Oh, das meinst du.« Schnapper winkte ab. »Nun, denk nur an die Kosten. Euer Honorar, die Abnutzung des Bodens, Heizung und Beleuch-
tung, al gemeine Wertminderung…«
Das Gebrül schien noch lauter zu werden. Dutzende von Füßen
stampften auf den Boden, der dadurch eine noch größere Abnutzung
erfuhr.
Schnapper schluckte. Er wirkte plötzlich wie jemand, der bereit war,
das größte al er Opfer zu bringen.
»Ich könnte… vielleicht… euer Honorar um… möglicherweise… ei-
nen Dol ar… eventuell… erhöhen.« Jedes einzelne Wort erkämpfte sich
den Weg aus dem Tresorraum seiner Seele.
»Wenn wir jetzt auf die Bühne gehen, muß noch ein Auftritt stattfin-
den«, sagte Buddy.
»Was? Kein Problem. Ich kann bald…«
»Und zwar gratis.«
»Gratis?« Das Wort huschte an Schnappers Zähnen vorbei, bevor sie
zuklappen und eine undurchdringliche Barriere bilden konnten. Er faßte
sich innerhalb weniger Sekunden. »Ihr wol t dafür nicht bezahlt werden?
Nun…«
Buddy blieb unbeeindruckt.
»Ich meine folgendes: Wir bekommen kein Honorar, und niemand
braucht Eintritt zu bezahlen. Außerdem sol en so viele Leute wie mög-
lich kommen.«
» Gratis !«
»Ja!«
»Wo ist da der Gewinn?«
Heftige Vibrationen schoben eine leere Bierflasche vom Tisch und lie-
ßen sie auf dem Boden zerbrechen. Ein Troll erschien in der Tür, zu-
mindest ein Teil von ihm. Er hätte nicht ins Zimmer kommen können,
ohne die halbe Wand einzureißen, wozu er durchaus bereit zu sein
schien.
»Herr Chrysopras möchte wissen, was los ist«, knurrte der Troll.
»Äh…«, begann Schnapper.
»Herr Chrysopras wartet nicht gern.«
»Ich weiß, aber…«
»Wenn Herr Chrysopras noch länger warten muß…«
»Na schön !« rief Schnapper. »Gratis! Damit treibe ich mich selbst in den Ruin. Das ist dir doch klar, oder?«
Buddy spielte einen Akkord, der kleine Lichter in der Luft entstehen
ließ.
»Gehen wir«, sagte er leise.
»Ich kenne diese Stadt«, murmelte Schnapper, als die Band Mit Steinen
Drin zur vibrierenden Bühne eilte. »Wenn man den Leuten etwas gratis
anbietet, kommen Tausende…«
Die Hunger haben, erklang eine Stimme hinter Schnappers Stirn. Sie
klimperte ein wenig.
Und Durst.
Die ein T-Shirt mit der Aufschrift Die Band Mit Steinen Drin kaufen möchten…
Ganz langsam veränderte sich Schnappers Gesichtsausdruck. Ein Lä-
cheln verdrängte den Schatten der Sorge.
»Ein Konzert, bei dem niemand Eintritt bezahlen muß«, sagte er. »Ein
Freies Festival. Ja, genau! Das ist unsere Pflicht der Öffentlichkeit ge-
genüber. Musik sollte frei sein. Und heiße Würstchen sol ten mindestens
einen Dol ar kosten, wobei der Senf extra berechnet wird. Viel eicht so-
gar anderthalb Dollar. Und damit treibe ich mich selbst in den Ruin.«
In den Kulissen erschienen die vom Publikum verursachten Geräusche
wie eine massive akustische Wand.
»Das sind viele Leute«, sagte Glod. »Ich habe noch nie vor einem so großen Publikum gespielt!«
Asphalt legte Klippes Steine auf der Bühne zurecht und wurde dafür
mit stürmischem Applaus belohnt.
Glod sah zu Buddy, der die Gitarre nicht ein einziges Mal losgelassen
hatte. Zwerge neigten nicht zur Einkehr, doch Glod verspürte plötzlich
den Wunsch, sich möglichst weit von diesem Ort entfernt in
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