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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Straßenseite bist. Der Laden ist da drüben.«
    Glod warf einen letzten anklagenden Blick auf die leere Mauer, drehte
    sich dann um und stapfte über die Straße.
    »Ein solcher Fehler hätte jedem unterlaufen können.«
    »Ja.«
    »Dadurch verliert das, was ich vorhin gesagt habe, nicht an Bedeu-
    tung.«
    Glod drehte den Knauf und stellte überrascht fest, daß die Tür nicht
    abgeschlossen war.
    »Es ist zwei Uhr nachts! Welches Musikgeschäft hat um zwei Uhr
    nachts geöffnet?« Der Zwerg riß ein Streichholz an.
    Er trat ein, und ein staubiger Friedhof aus alten Musikinstrumenten
    empfing ihn. Es sah aus, als wären einige prähistorische Tiere von einer
    plötzlichen Überschwemmung erfaßt worden und anschließend verstei-
    nert.
    »Das Ding da aussieht wie eine Schlange«, flüsterte Klippe. »Was ist
    es?«
    »Ein Schlangenhorn.«
    Unbehagen erfaßte Glod. Er hatte den größten Teil seines Lebens als
    Musiker verbracht. Er verabscheute den Anblick toter Instrumente, und
    diese wirkten tatsächlich tot. Sie gehörten niemandem und wurden nicht mehr gespielt. Sie glichen Körpern ohne Leben, Personen ohne Seelen.
    Das Besondere, das einst in ihnen steckte, existierte nun nicht mehr.

    Jedes einzelne von ihnen repräsentierte einen vom Glück verlassenen
    Musiker.
    Mattes Licht glühte in einem Wäldchen aus Fagotten. Die Alte saß in
    einem Schaukelstuhl und schlief, ein Wol knäuel im Schoß und ein Tuch
    um die Schultern geschlungen.
    »Glod?«
    Der Zwerg zuckte zusammen. »Ja? Was ist?«
    »Warum wir hier sind? Wir wissen jetzt, daß wirklich existiert der La-
    den…«
    »Die Flossen hoch, ihr Halunken!«
    Glod blinzelte und schielte auf die Spitze der Armbrust, die ihn an der
    Nase berührte. Rasch hob er die Hände. Die Alte hatte von tiefem Schlaf
    zur Kampfbereitschaft gewechselt, ohne den Phasen dazwischen Beach-
    tung zu schenken.
    »Mit Flossen kann ich leider nicht dienen«, sagte Glod behutsam.
    »Äh… die Tür war nicht verriegelt, und deshalb…«
    »Deshalb dachtet ihr: He, das ist eine gute Gelegenheit, eine hilflose al-
    te Frau auszurauben.«
    »Nein, ganz und gar nicht. Wir…«
    »Ich warne euch! Ich gehöre zur Nachbarschaftshilfe Entschlossener
    Hexen, jawohl. Nur ein Wort von mir, und ihr braucht eine Prinzessin,
    die Amphibien mag…«
    »Ich glaube, dies ist gegangen weit genug.« Klippe beugte sich vor,
    schloß eine große Hand um die Armbrust und drückt zu. Holzsplitter
    quol en zwischen seinen Finger hervor.
    »Wir völlig harmlos sind«, fuhr er fort. »Letzte Woche ein Freund von
    uns hier hat gekauft ein Musikinstrument. Darum wir sind gekommen
    noch einmal hierher.«
    »Seid ihr von der Wache?«
    Glod verbeugte sich.
    »Nein, gnä’ Frau. Wir sind Musiker.«
    »Jetzt soll ich mich wohl besser fühlen, was? Welches Instrument
    meint ihr?«

    »Eine Art Gitarre.«
    Die Alte neigte den Kopf zur Seite und kniff die Augen zusammen.
    »Ich nehme das Ding nicht zurück«, sagte sie. »Verkauft ist verkauft.
    Und an der Gitarre gab es nichts auszusetzen. Sie funktionierte sogar.«
    »Wir möchten nur wissen, von wem du sie bekommen hast.«
    »Ich habe sie von niemandem bekommen«, erwiderte die Alte. »Sie be-
    fand sich immer hier. Nicht hineinblasen!«
    Glod hatte eine Flöte genommen und sie an die Lippen gesetzt. Vor
    Schreck ließ er sie fast fallen.
    »Einige wenige Töne – und wir stehen hier bis zu den Knien in Rat-
    ten«, meinte die Frau. Sie wandte sich wieder an Klippe. »Die Gitarre war
    immer hier«, wiederholte sie.
    »Jemand hat mit Kreide die Nummer Eins draufgeschrieben«, sagte
    Glod.
    »Sie befand sich immer hier«, wiederholte die Frau. »Seit ich den Laden
    übernommen habe.«
    »Wer brachte sie?«
    »Woher sol ich das wissen? Ich frage meine Kunden nie nach ihrem
    Namen. Es gefäl t den Leuten nicht. Sie bekommen nur eine Nummer.«
    Glod betrachtete die Flöte. Jemand hatte die Zahl 431 auf ein kleines,
    vergilbtes Schild gekritzelt.
    Er sah zu den Regalen hinter dem improvisierten Tresen. Unter ande-
    rem lag dort ein rosarotes Tritonshorn, ebenfal s mit einer Nummer ver-
    sehen. Er befeuchtete sich die Lippen, streckte den Arm…
    »Wenn du hineinbläst, sol te dir eine zur Opferung bereite Jungfrau
    sowie Kessel mit Brotfrüchten und Schildkrötenfleisch zur Verfügung
    stehen«, sagte die Alte.
    Neben dem Tritonshorn lag eine Trompete, die erstaunlich neu aussah.
    »Und das Ding?« fragte er. »Vermutlich genügt ein Ton, um das Ende
    der Welt

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