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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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spiegelgleichen Glanz des Marmors die Wohnung der olympischen Unsterblichen wieder? Es ist der typische Tempel mit der majestätischen Kolonnade unter der flachen, mit vergoldeten Feldern versehenen Decke, dem marmornen Pflaster von unvergleichlicher Schönheit des Materials und der Arbeit, den Pilastern mit den lila Basen und den weißen Kapitalen, dem weißen Sims mit lila Friesen und der überall vorherrschenden Mischung dieser beiden Farben, die von so göttlich fleischlicher Harmonie ist, daß man an die erhabenen, von der Morgenröte gebadeten Körper der großen Göttinnen denken muß. Ebenso wenig wie in St. Peter war hier ein dunkler, ein geheimnisvoller, dem Unsichtbaren geöffneter Winkel zu sehen. Und doch blieb St. Peter, kraft seines Rechtes als Koloß das größte dieser großen Ungetüme. Er war das maßlose Zeugnis dessen, was die Sucht nach dem Ungeheuerlichen vermag, wenn der menschliche Stolz mit Hilfe von verschwendeten Millionen Gott in der allzu großen und allzu reichen Steinwohnung unterbringen will, wo der Mensch in seinem Namen triumphirt.
    Zu diesem Prunkkoloß hatte also nach so vielen Jahrhunderten die Inbrunst des ursprünglichen Glaubens geführt! Es fand sich in ihm jener Saft des römischen Bodens wieder, der zu allen Zeiten in unvernünftigen Monumenten aufgeschossen ist. Es scheint, daß die unumschränkten Herren, die nach einander dort regierten, diese cyklopische Bauwut mit sich brachten, aus der Heimaterde, auf der sie aufgewachsen schöpften; denn sie haben sie sich ohne Unterbrechung von Zivilisation zu Zivilisation vererbt. Es ist ein unaufhörliches Wachstum der menschlichen Eitelkeit; alle hatten das Bedürfnis, ihren Namen auf eine Mauer zu schreiben, und nachdem sie Herren der Welt gewesen, eine unzerstörbare Spur, einen greifbaren Beweis dieser Eintagsglorie, das ewige Gebäude aus Bronze und Marmor zurückzulassen, das bis ans Ende der Zeiten für sie zeugen würde. Im Grunde steckt dahinter nur die Eroberungslust, der stolze Ehrgeiz der Rasse, die stets um die Weltherrschaft ringt; und wenn alles zusammengebrochen ist, wenn eine neue Gesellschaft aus den Ruinen wieder geboren wird, von der man annehmen kann, daß sie vom Hochmut geheilt und zur Demut zurückgekehrt ist, so erweist sich das wieder nur als ein Irrtum. Das alte Blut braust in ihren Adern; sie unterliegt von neuem dem übermütigen Wahnsinn der Ahnen und wird, sobald sie groß und stark geworden ist, eine Beute aller ererbten Heftigkeit. Es gibt nicht einen berühmten Papst, der nicht bauen wollte, der nicht die Ueberlieferung der Cäsaren weiter geführt hätte, die ihre Regierung in Stein verewigten und sich nach ihrem Tode Tempel errichten ließen, um unter die Götter zu steigen. Dieselbe Sorge um die irdische Unsterblichkeit gibt sich wieder kund; man wetteifert, wer das größte, festeste, prächtigste Monument hinterlassen wird. Die Krankheit ist so heftig, daß die weniger glücklichen, die nicht bauen konnten, die sich mit Ausbesserungen begnügen mußten, sich darin gefielen, den Generationen das Andenken ihrer bescheidenen Arbeiten zu hinterlassen, indem sie Marmortafeln mit pomphaften Inschriften anbrachten. Daher begegnet man fortwährend diesen Tafeln; keine Mauer wird befestigt, ohne daß ein Papst sein Wappen darauf drückt, keine Ruine hergestellt, kein Palast wieder in Stand gesetzt, kein Springbrunnen gereinigt, ohne daß der regierende Papst das Werk mit seinem römischen Titel Pontifex Maximus zeichnet. Es ist ein Spuk, eine unfreiwillige Ausschweifung, die verhängnisvolle Blüte dieser seit mehr als zweitausend Jahren aus Trümmern gebildeten Düngererde. Unaufhörlich steigen Monumente aus diesem Staube von Monumenten auf. Und man fragt sich, ob Rom überhaupt je christlich war – Rom in seiner Verderbtheit, mit der der alte römische Boden fast allsogleich die Lehren Jesus befleckte, mit seiner Herrschsucht, seinem Verlangen nach irdischem Ruhm, die durch die Verachtung der Schwachen und Reinen, der Brüderlichen und Einsaitigen des Urchristentums, den Triumph des Katholizismus bewirkt haben.
    Da mit einemmale, infolge einer plötzlichen Erleuchtung, flammte in Pierre die Wahrheit auf. Es geschah in dem Augenblick, als er zum zweitenmale die Runde um die ungeheure Basilika machte und die Päpstegräber bewunderte. Ach, diese Gräber! Drüben in der flachen Campagna, im hellen Sonnenlichte, zu beiden Seiten der Via Appia, die, gleichsam das Triumphthor Roms, den Fremden aus den

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