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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Sammetkostüm mit goldener Kette und Krause! Dann das zahllose geistliche und weltliche Gefolge, dessen Aufzählung hundert Seiten der Gerarchia nicht erschöpfen würde, die Protonotare, die Kapläne, die Prälaten aller Klassen und Grade, ganz abgesehen von dem militärischen Hausstande – den Gendarmen in der Bärenmütze, den palatinischen Garden in den blauen Beinkleidern und dem schwarzen Mantel, den Schweizergarden in dem gelb, schwarz und rot gestreiften Silberküraß, den Nobelgardisten, die in ihren hohen Stiefeln, ihren weißen Lederkollern, ihren roten, goldgestickten Mänteln, den goldenen Epauletten und den Goldhelmen einen prächtigen Anblick boten! Aber seitdem Rom die Hauptstadt Italiens war, wurde das Thor nicht mehr weit geöffnet, sondern im Gegenteil mit eifriger Sorgfalt verschlossen; und wenn, was selten geschah, der Papst erschien, um zu zelebriren, um sich als der höchste Erwählte, als die Verkörperung Gottes auf Erden zu zeigen, da füllte sich die Basilika nur noch mit eingeladenen Gästen. Man mußte eine Karte haben, um Einlaß zu finden. Es war nicht mehr die zufällige Flut des Volkes, die fünfzigtausend, die sechzigtausend Christen, die herbei eilten, sich herbeidrängten, sondern eine Auswahl von befreundeten Zuschauern, die bei besonderen geschlossenen Feierlichkeiten besonders ausgesucht wurden. Selbst wenn Tausende hier versammelt wurden, so war es doch nur immer ein beschränktes, zu einem Monstrekonzert geladenes Publikum.
    Je länger Pierre durch dieses im harten Glanze des Marmors schimmernde, kalte und majestätische Museum wanderte, desto mehr durchdrang ihn das Gefühl, daß er sich in einem heidnischen, dem Gotte des Lichtes und der Pracht errichteten Tempel befinde. Ein großer Tempel des antiken Rom hatte gewiß ähnlich ausgesehen; er besaß dieselben mit polychromem Marmor bekleideten Wände, dieselben kostbaren Säulen, dieselben Gewölbe mit vergoldeten Deckenfeldern. Dieses Gefühl sollte er noch deutlicher beim Besuche der anderen Basiliken empfinden, der ihn zur Erkenntnis der unbestreitbaren Wahrheit brachte. Da war erstens die christliche Kirche, die sich in aller Ruhe und Gemütlichkeit in dem heidnischen Tempel breitmachte: so S. Lorenzo in Miranda, der im Tempel des Antonin und der Faustina ganz wie zu Hause war, und dessen seltenen Portikus aus Cippolino und den schönen Sims aus weißem Marmor beibehalten hatte. Zweitens die christliche Kirche, die aus dem gefällten Stamm, dem zerstörten antiken Gebäude wieder ausgewachsen war; so zum Beispiel der jetzige Dom S. Clemente, unter dem in Schichten Jahrhunderte entgegengesetzter Religionen, ein sehr altes Denkmal aus der Zeit der Republik, ein anderes, in dem man einen Mithratempel erkannt hat, aus der Kaiserzeit, und endlich eine altchristliche Basilika liegen. Drittens die christliche Kirche, die wie S. Agnese fuori le Mura genau nach dem Vorbilde der forensischen Basilika der Römer, dem Tribunal und der Börse, gebaut war, die sich aus jedem Forum fanden; und viertens insbesonders die christliche Kirche, die mit den aus den Tempelruinen gestohlenen Materialien gebaut wurde. So die sechzehn herrlichen Säulen dieser selben Kirche S. Agnese aus verschiedenartigem Marmor, der offenbar mehreren Göttern geraubt wurde; die einundzwanzig Säulen jeglicher Ordnung von S. Maria de Trastevere, die einem Tempel des Ifis und Serapis entrissen wurden, deren Figuren sich noch auf den Kapitälern befinden; die sechsunddreißig weißen Marmorsäulen jonischer Ordnung von S. Maria Maggiore, die aus dem Tempel der Juno Lucina kommen; die an Material, Höhe und Arbeit ganz verschiedenen zweiundzwanzig Säulen von S. Maria d'Aracoeli, von denen die Legende behauptet, daß einige dem Jupiter selbst aus dem Tempel des Jupiter Capitolinus entrissen wurden, der sich auf demselben Platze, auf dem heiligen Hügel erhob. Noch heute werden die Tempel der reichen Kaiserzeit in den prächtigen Basiliken von S. Giovanni de Laterano und S. Paoli fuori le Mura wieder lebendig. War nicht die Basilika von S. Giovanni, die Mutter und das Haupt aller Kirchen, mit ihren fünf, von vier Säulenreihen geteilten Schiffen, mit ihren zwölf kolossalen Apostelstatuen, die wie eine doppelte Reihe von Göttern zu dem Herrn der Götter führte, mit ihren Basreliefs, Friesen, Simsen, der Ehrenpalast einer heidnischen Gottheit, deren üppiges Reich von dieser Welt war? Und findet man nicht in der eben vollendeten St. Paulskirche, in dem neuen,

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