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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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er restaurirt in den katholischen Schulen die christliche Philosophie im Geiste des heiligen Thomas von Acquino, des englischen Meisters. Dann, als das Dogma derart geschützt ist, erhält er das Gleichgewicht, gibt allen Mächten Unterpfänder des Friedens, bemüht sich, alle Gelegenheiten auszunützen. Man sieht, wie er mit außerordentlicher Thätigkeit den heiligen Stuhl mit Deutschland versöhnt, sich Rußland nähert, die Schweiz befriedigt, die Freundschaft Englands begehrt, an den Kaiser von China schreibt und ihn bittet, die christlichen Missionare und die Christen in seinem Reiche zu beschützen. Später intervenirt er in Frankreich, anerkennt die Rechtmäßigkeit der Republik. Von Anfang an zeichnet sich ein bestimmter Gedanke ab und dieser Gedanke wird ihn zu einem der großen politischen Päpste machen. Uebrigens ist es der uralte Gedanke des Papsttums: alle Seelen zu erobern, Rom zum Mittelpunkt und Herrn der Welt zu machen. Er hat nur einen Wunsch, ein Ziel, nämlich an der Einheit der Kirche zu arbeiten und die Dissidenten-Gemeinden zu ihr zurückzuführen, um sie in dem sich vorbereitenden sozialen Kampfe unbesiegbar zu machen. Er bemüht sich, Rußland zur Anerkennung der moralischen Autorität des Vatikans zu bewegen; er träumt davon, in England die anglikanische Kirche zu entwaffnen und sie zu einer Art Bruderfrieden zu bewegen. Aber vor allem im Orient strebt er eine Einigung mit den schismatischen Kirchen an; er behandelt sie einfach als geschiedene Schwestern, deren Wiederkehr sein Vaterherz ersehnt. Und an dem Tage, da Rom ohne Widerspruch über die Christen der gesamten Erde herrschen wird, wird es keine einzige, siegreiche Macht geben, über die es nicht verfügen kann.
    Und hier nun erschien der soziale Gedanke Leos XIII. Noch als Bischof von Perugia hatte er einen Hirtenbrief geschrieben, in dem sich ein vager humaner Sozialismus äußerte. Kaum hat er sich jedoch die Tiara aufgesetzt, so ändern sich seine Anschauungen, und er schmettert die Revolutionäre, deren Verwegenheit damals Italien erschreckte, nieder. Gleich darauf besinnt er sich übrigens; er wird von den Thatsachen gewarnt und begreift, was für eine tödliche Gefahr es wäre, den Sozialismus in den Händen der Feinde des Katholizismus zu lassen. Er hört die populären Bischöfe der verschiedenen Propagandaländer an, mengt sich nicht mehr in die irische Frage, zieht den Bann zurück, den er auf die Ritter der Arbeit in den Vereinigten Staaten geschleudert hatte, verbietet, die kühnen Werke der katholisch-sozialistischen Schriftsteller auf den Index zu setzen. Dieser Umschwung zur Demokratie findet sich in seinen berühmtesten Encykliken wieder: in Immortale Dei , über die Konstitution der Staaten; in Libertas , über die menschliche Freiheit; in Sapientiæ , über die Pflichten christlicher Bürger; in Rerum novarum , über die Lage der Arbeiter. Besonders die letzte scheint die Kirche verjüngt zu haben. Der Papst konstatirt darin das unverdiente Elend der Arbeiter; die Arbeitsstunden sind zu lang, der Lohn ist ungenügend. Jeder Mensch hat das Recht, zu leben; der durch den Hunger erpreßte Vertrag ist ungerecht. Außerdem erklärt er, daß man den Arbeiter nicht schutzlos einer Ausbeutung überantworten dürfe, die das Elend der großen Mehrzahl in das Glück einiger weniger verwandelt. Da er sich über die Organisationsfragen nur vage äußern kann, beschränkt er sich darauf, die korporative Bewegung zu ermutigen und stellt sie unter den Schutz des Staates; und nachdem er derart den Gedanken der bürgerlichen Gewalt wieder hergestellt hat, setzt er Gott wieder auf seinen hehren Platz ein. Er erwartet die Rettung hauptsächlich von moralischen Maßregeln, von dem uralten Respekt vor der Familie und dem Besitz. Aber war diese hilfreiche Hand, die der erhabene Statthalter Christi öffentlich den Armen und Einfältigen reichte, nicht das sichere Zeichen eines neuen Bundes, die Verkündigung einer neuen Herrschaft Jesu auf Erden? Das Volk wußte fortan, daß es nicht verlassen war. Und zu welcher Glorie stieg Leo XIII. von da an auf! Sein Priesterjubiläum und sein Bischofsjubiläum wurden von der gesamten Christenheit unter dem Zulauf einer ungeheuren Menge, mit zahllosen Geschenken und schmeichelhaften Briefen, von allen Souveränen gefeiert.
    Hierauf behandelte Pierre die Frage der weltlichen Macht; er glaubte, dies frei thun zu dürfen. Natürlich wußte er, daß der Papst in seinem Streit mit Italien ebenso

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