Rom: Band 1
werde ich mich also dem heiligen Vater zu Füßen werfen und mich verteidigen.«
Boccanera richtete sich jählings auf. Eine harte Falte furchte seine hohe Stirn.
»Seine Heiligkeit kann, wenn es ihm beliebt, alles – selbst Sie empfangen und Ihnen die Absolution geben ... Aber, hören Sie, ich rate Ihnen nochmals, selbst Ihr Buch zurückzuziehen, es einfach und mutig zu zerstören, ehe Sie sich in einen Kampf stürzen, in dem Ihnen mir die Schmach bevorsteht, zerschmettert zu werden ... Nun, überlegen Sie es sich.«
Pierre hatte es sofort bereut, daß er von einem Besuch beim Papst gesprochen hatte; denn er fühlte, daß dieser Appell an die höchste Autorität den Kardinal verletzte, Uebrigens war kein Zweifel mehr möglich: der Kardinal würde gegen sein Werk sein. Er hatte keine andere Hoffnung mehr, als durch seine Umgebung einen Druck aus ihn auszuüben, damit er neutral bleibe. Er schien ihm sehr offenherzig, sehr freimütig zu sein und über den niedrigen Intriguen zu stehen, die sich, wie er jetzt zu ahnen begann, mit seinem Buche beschäftigten. Er verabschiedete sich mit wirklicher Ehrfurcht.
»Ich danke Eurer Eminenz unendlich und verspreche, an alles zu denken, was Eure Eminenz in Ihrer übergroßen Güte mir zu sagen geruhten.«
Im Vorzimmer sah Pierre fünf oder sechs Personen, die während seiner Audienz erschienen waren und nun warteten. Da war ein Bischof, ein Prälat, zwei alte Damen; und als er vor dem Weggehen auf Don Vigilio zutrat, sah er ihn zu seiner lebhaften Ueberraschung im Gespräch mit einem großen, blonden, jungen Mann, einem Franzosen, der ebenfalls ganz erstaunt rief:
»Wie, Sie hier, Herr Abbé Sie sind in Rom?«
Der Priester war einen Augenblick unschlüssig.
»Ah, Herr Narcisse Habert! Ich bitte um Verzeihung, ich erkannte Sie nicht gleich! Das ist wirklich unverzeihlich von mir, denn ich wußte, daß Sie seit vorigem Jahr der Botschaft attachirt sind.«
Narcisse war schlank, hoch aufgeschossen, sehr elegant, besaß einen reinen Teint, blaßblaue, fast malvenfarbige Augen, einen blonden, sein gekräuselten Bart und trug sein lockiges Haar nach florentinischer Art über der Stirn verschnitten. Er entstammte einer sehr reichen, streitbar katholischen Richterfamilie und hatte einen Oheim, der der Diplomatie angehörte. Das hatte sein Schicksal entschieden. Uebrigens war sein richtiger Platz in Rom, wo er über eine mächtige Verwandtschaft verfügte: er war der angeheiratete Neffe des Kardinals Sarno, dessen eine Schwester einen Pariser Notar, seinen Oheim, geheiratet hatte, und außerdem Geschwisterkind des bestallten Geheimkämmerers Monsignore Gamba del Zoppo, des Sohnes einer seiner Tanten, die einen italienischen Oberst geheiratet hatte. Aus diesem Grunde war er der Botschaft beim Vatikan zugeteilt worden. Dort duldete man sein etwas phantastisches Wesen, seine nie ruhende Kunstleidenschaft, die ihn zu endlosen Streifereien durch Rom bewog. Im übrigen war er sehr liebenswürdig und äußerst vornehm, dabei im Grunde sehr praktisch und in Geldangelegenheiten wunderbar erfahren; und so widerfuhr es ihm manchmal sogar, daß er – wie an diesem Vormittag – im Namen seines Botschafters bei einem Kardinal vorsprechen mußte, um mit seiner müden, etwas geheimnisvollen Miene eine wichtige Angelegenheit zu besprechen.
Sofort führte er Pierre in eine tiefe Fensternische, um sich dort in Muße mit ihm unterhalten zu können.
»Mein lieber Abbé, wie froh bin ich, Sie zu sehen! Erinnern Sie sich unserer netten Gespräche, als wir uns beim Kardinal Bergerot kennen lernten? Ich bezeichnete Ihnen die Bilder, die Sie für Ihr Buch ansehen mußten, Miniaturen aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Aber Sie wissen, von heute au nehme ich Sie in Beschlag. Ich werde Ihnen Rom zeigen. wie kein anderer es vermochte. Ich habe alles gesehen, alles durchstöbert. O, diese Schätze, diese Schätze! Aber eigentlich gibt es nur ein Werk hier, dazu kehrt man immer wieder zurück. Die Botticellis in der Sixtinischen Kapelle – o, die Botticellis!«
Seine Stimme erstarb; er machte eine erschöpfte Geberde der Bewunderung. Und Pierre mußte versprechen, sich ihm ganz zu überlassen und mit ihm in die Sixtinische Kapelle zu gehen.
»Wissen Sie, warum ich hier bin?« sagte Pierre endlich. »Mein Buch wird verfolgt; man hat es der Kongregation des Index angezeigt.«
»Ihr Buch? Nicht möglich!« rief Narcisse. »Ein Buch, in dem gewisse Stellen an den entzückenden heiligen Franz
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