Rom: Band 1
liebreichen Miene darauf, sofort Näheres über die Unterredung Pierres mit dem Kardinal zu erfahren. Er hörte die Erzählung des ersteren aufmerksam an, indem er bei gewissen Einzelheiten den Kopf schüttelte und manchmal sein seines Lächeln unterdrückte. Der strenge Empfang des Kardinals, die Ueberzeugung des Priesters, daß bei ihm gar keine Hilfe zu finden sei, setzten ihn nicht im geringsten in Staunen, als hätte er dieses Resultat erwartet. Aber als der Name Sanguinettis fiel, als er erfuhr, daß er an diesem Vormittag hier gewesen sei und die Buchangelegenheit für sehr ernst erklärt hatte, schien er sich einen Augenblick zu vergessen und sprach mit plötzlicher Lebhaftigkeit:
»Mein liebes Kind, ich bin zu spät gekommen. Gleich bei der ersten Nachricht von der Einleitung des Verfahrens eilte ich zu Seiner Eminenz dem Kardinal Sanguinetti, um ihm zu sagen, daß man Ihrem Werke eine ungeheure Reklame machen wolle. Ist das vernünftig? Wozu denn? Wir wissen, daß Sie etwas exaltirt, schwärmerisch und kampfbereit sind. Was hätten wir gewonnen, wenn wir uns die Empörung eines jungen Priesters auf den Hals laden würden, der mit einem Buche, von dem schon Tausende von Exemplaren verkauft sind, mit uns Krieg anfangen könnte? Ich wollte von Anfang an, daß man sich nicht rühren solle, und ich muß sagen, der Kardinal, der ein Mann von Geist ist, dachte wie ich. Er hob die Arme zum Himmel, brauste auf und rief, daß man ihn nie um Rat frage. Aber nun sei die Dummheit schon geschehen und es wäre gänzlich unmöglich, den Prozeß aufzuhalten, sobald ihn die Kongregation einmal infolge von Denunziationen, die von autoritativster Seite und aus den ernstesten Beweggründen erfolgt seien, anhängig gemacht habe... Nun, die Dummheit ist, wie er sagt, einmal geschehen, und ich mußte etwas anderes ausdenken.«
Er hielt inne, denn er bemerkte, daß die glühenden Augen Pierres verständnissuchend auf die seinigen gerichtet waren. Eine unmerkliche Röte färbte sein Gesicht noch rosiger, während er, ohne sich seinen Aerger, bereits zu viel gesagt zu haben, merken zu lassen, sehr unbefangen fortfuhr:
»Ja, ich will meinen ganzen schwachen Einfluß aufbieten, um Sie aus den Unannehmlichkeiten zu ziehen, in die diese Geschichte Sie sicherlich stürzen wird.«
In Pierre stieg bei der dunklen Empfindung, daß man vielleicht mit ihm spiele, die Empörung auf. Warum sollte er nicht seinen Glauben bekennen, der so rein, so jeden persönlichen Interesses bar, so voll brennender, christlicher Nächstenliebe war?
»Ich werde niemals mein Buch von selbst zurückziehen oder unterdrücken, so wie man es mir rät,« erklärte er. »Das wäre eine Feigheit und eine Lüge, denn ich bereue nichts, leugne nichts ab. Wenn ich glaube, daß mein Werk etwas Wahrheit bringt, so kann ich es nicht zerstören, ohne ein Verbrecher gegen mich und gegen die anderen zu sein ... Nie! Hören Sie, nie!«
Es entstand eine Pause.
»Diese Erklärung werde ich zu den Füßen des heiligen Vaters abgeben,« fuhr er fast gleich darauf fort. »Er wird mich verstehen, er wird mir zustimmen.«
Nani lächelte nicht mehr; sein Gesicht war fortan unbeweglich und wie erschlossen. Er schien die plötzliche Heftigkeit des Priesters achtsam zu studiren und bemühte sich dann, sie durch sein ruhiges Wohlwollen zu besänftigen.
»Gewiß, gewiß... Gehorsam und Demut haben große Süßigkeiten. Aber ich verstehe, daß Sie vor allem, mit Seiner Heiligkeit sprechen wollen ... Und dann werden Sie sehen, nicht wahr? Dann werden Sie sehen ...«
Und er interessirte sich von neuem für die Audienzfrage. Er bedauerte lebhaft, daß Pierre diese Bitte nicht von Paris aus, vor seiner Ankunft in Rom, gestellt habe: das wäre die sicherste Art gewesen, ihre Gewährung durchzusetzen. Im Vatikan liebte man keinen Lärm, und sowie die Nachricht von der Anwesenheit des jungen Priesters sich verbreitete, sowie man von den Motiven sprach, die ihn hierher führten, war alles verloren.
Als Nani jedoch erfuhr, daß Narcisse sich erboten hatte, Pierre dem französischen Botschafter beim heiligen Stuhl vorzustellen, schien er von Unruhe ergriffen zu werden und protestirte lebhaft dagegen.
»Nein, nein, thun Sie das nicht! Das wäre äußerst unklug ... Erstens laufen Sie Gefahr, den Herrn Botschafter, der bei solchen Angelegenheiten immer in einer heiklen Lage ist, zu belästigen... Und dann, wenn es ihm mißlingt – und ich fürchte, daß es ihm mißlingen wird – ja, wenn es
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