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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Narcisse, der ganz ernst geworden war, »das ist ein Mann, mit dem man befreundet sein muß.«
    Er kannte seine Geschichte und erzählte sie Pierre mit halblauter Stimme. Nani stammte aus Venedig, ans einer ruinirten, adeligen Familie, die viele Helden zu den ihren zählte. Nachdem er seine ersten Studien bei den Jesuiten gemacht hatte, ging er nach Rom, um im römischen Kollegium, das von den Jesuiten gehalten wurde, Philosophie und Theologie zu studiren. Mit dreiundzwanzig Jahren zum Priester geweiht, war er sofort einem Nuntius als Privatsekretär nach Bayern gefolgt und ging von dort als Nuntiaturauditor nach Brüssel und dann nach Paris. Dort hatte er fünf Jahre gelebt. Alles, sein glänzendes Debüt, sein lebhafter Geist – einer der vielseitigsten und unterrichtetsten, die es gab – schien ihn für die Diplomatie zu bestimmen; da wurde er plötzlich nach Rom zurückberufen, wo man ihm fast sofort die Stelle des Assessors beim S. Offizio anvertraute. Man behauptete damals, es geschehe auf den ausdrücklichen Wunsch des Papstes, der, da er ihn gut kannte und einen Mann wie ihn beim S. Offizio haben wolle, ihn zurückberufen habe, weil er, wie er sagte, in Rom viel mehr Dienste leisten würde als in einer Nuntiatur. Nani, schon früher Hausprälat, war seit kurzem Kanonikus von S. Peter und bestallter apostolischer Protonotar und hatte Aussicht, eines Tages, wenn der Papst einen andern Assessor fand, der ihm besser gefiel, Kardinal zu werden.
    »O, Monsignore Nani – das ist ein hervorragender Mensch, der das moderne Europa großartig kennt,« fuhr Narcisse fort, »Dabei ist er ein sehr heiliger Priester, aufrichtig gläubig, der Kirche unbedingt ergeben. Freilich ist diese feste Gläubigkeit des bedachtsamen Politikers verschieden von dem beschränkten, düstern Theologenglauben, so wie wir ihn in Frankreich haben. Darum wird es Ihnen anfangs schwer fallen, die Leute und die Dinge hier zu verstehen. Sie lassen Gott in seinem Heiligtum; sie regieren in seinem Namen und sind fest überzeugt, daß der Katholizismus die menschliche Organisation der Regierung Gottes, die einzig vollkommene und ewige ist, außerhalb welcher es nur Lügen und soziale Gefahren gibt. Während wir uns bei unseren religiösen Streitigkeiten noch bei dem wütenden Diskutiren über die Existenz Gottes aufhalten, geben sie gar nicht zu, daß diese Existenz in Zweifel gezogen werden kann, weil sie die von Gott delegirten Minister sind; sie gehen vollständig in ihrer Rolle als unabsetzbare Minister auf, üben ihre Macht zum möglichst großen Glück der Menschheit aus und setzen ihre ganze Intelligenz, ihre ganze Energie daran, die von den Völkern angenommenen Herren zu bleiben. Bedenken Sie, ein Mann, wie Monsignore Nani ist, nachdem er mit der Politik der ganzen Welt zu thun gehabt hat, seit zehn Jahren in Rom mit den heikelsten Missionen betraut, nimmt an den mannigfaltigsten und wichtigsten Angelegenheiten teil, fährt fort, das ganze, an Rom vorüberziehende Europa zu sehen, kennt alles, hat bei allem seine Hand im Spiele und ist dabei bewunderungswürdig diskret und liebenswürdig, von anscheinend vollkommener Bescheidenheit, ohne daß man sagen kann, ob er nicht mit seinem leichten Schritt dem höchsten Ziel des Ehrgeizes, der Tiara, zuschreitet.«
    »Noch ein Kandidat auf die Papstwürde!« dachte Pierre, der mit leidenschaftlicher Aufmerksamkeit zugehört hatte; denn die Gestalt dieses Nani interessirte ihn und verursachte ihm eine Art instinktiver Unruhe, als ahne er hinter dem rosigen, lächelnden Gesicht etwas unbestimmt Unendliches. Uebrigens verstand er die Erklärungen seines Freundes nicht völlig; er verfiel abermals in die Bestürzung, die ihn bei der ersten Ankunft in dieser neuen Umgebung ergriffen hatte, in dieser Umgebung, deren unerwartetes Aussehen alle seine Vermutungen über den Haufen warf.
    Aber Monsignore Nani hatte die beiden jungen Leute bemerkt und kam sehr kordial, mit ausgestreckter Hand heran.
    »Ah, Herr Abbé Froment! Ich freue mich, Sie wiederzusehen. Ich frage Sie gar nicht, ob Sie gut geschlafen haben, denn in Rom schläft man immer gut. – Guten Tag, Herr Habert; Sie befinden sich doch wohl, seit ich Sie damals vor Berninis heiliger Therese traf, die Sie so bewunderten? ... Ich sehe, daß Sie einander kennen. Das ist reizend. Herr Abbé, ich verrate Ihnen, daß Herr Habert einer der leidenschaftlichsten Verehrer unserer Stadt ist, der Ihnen alles Schöne zeigen wird.«
    Dann bestand er mit seiner

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