Rom: Band 1
hellen, roten Feuerschein und von den tiefen Klängen einer ernsten Musik erfüllt. Aber wie klein war sie, wie verlor sie sich in dem ungeheuren Schiff, da man auf sechzig Schritte Entfernung weder die Stimmen noch das Dröhnen der Orgel vernehmen konnte!
Beim Eintreten hatte Pierre geglaubt, daß die ungeheure Kirche vollständig leer und tot sei; dann wurde er inne, daß sich in der Ferne einige Wesen befanden. Es waren Leute da, aber so wenige und in so weiten Zwischenräumen, daß es den Eindruck machte, als wären sie nicht da. Touristen schlenderten mit dem Reiseführer in der Hand mit müden Beinen umher. In der Mitte des großen Mittelschiffes nahm ein Maler an seiner Staffelei eine Ansicht auf, gerade so wie in einer öffentlichen Galerie. Dann kam ein ganzes französisches Seminar vorüber, geführt von einem Prälaten, der die Gräber erklärte. Aber diese fünfzig, diele hundert Personen zählten nichts; sie machten in dem weiten Räume kaum den Eindruck einiger verirrten, schwarzen Ameisen, die erschreckt den Weg suchen. Von nun an hatte er das ausgesprochene Gefühl, als befände er sich in einem Riesengalasaale, in dem Vorsaale eines maßlos großen Empfangspalastes. Die breiten Sonnenstrahlen, die durch die hohen, viereckigen, vorhanglosen Fenster hereinfielen, erhellten die Kirche mit blendendem Licht und erfüllten sie durch und durch mit einer Glorie. Keine Bank, kein Stuhl war zu sehen, nichts als das prächtige, nackte, unendliche Pflaster; es war ein Pflaster wie in einem Museum, und die tanzenden Sonnenstrahlen spiegelten sich in ihm. Nirgends ein Ort der Sammlung, nirgends ein geheimnisvoller, dunkler Winkel, um niederzuknieen und zu beten. Ueberall herrschte die lebhafte Helle, der Glanz, die Majestät und Pracht des hellen Tages. Und in diesen verlassenen, in Gold und Purpur flammenden Opernsaal trat nun er, der nur den Schauer gotischer Kathedralen kannte, wo düstere Mengen zwischen dem Walde der Pfeiler schluchzen! Er, der die schmerzhafte Erinnerung an die abgezehrte Architektur und Bildhauerkunst des Mittelalters, die ganz Seele ist, mit sich brachte, er geriet nun in diese prunkende Majestät, in diesen ungeheuren, leeren Pomp, der ganz Körper war! Vergebens suchte er eine arme, knieende Frau, ein gläubiges oder leidendes Wesen, das sich im schamhaften Halbdunkel dem Unbekannten hingab, geschlossenen Mundes mit dem Unsichtbaren sprach. Er sah hier nichts als das müde Kommen und Gehen der Touristen, die geschäftigen Mienen der Prälaten, die die jungen Priester zu den vorgeschriebenen Stationen führten, während in der Kapelle links die Vesper ihren Fortgang nahm, ohne daß ein Geräusch an das Ohr der Besucher drang; kaum daß eine wirre Tonwoge, das Schwingen einer Glocke von außen durch das Gewölbe hallte.
Pierre begriff, daß dies das Gerippe eines monumentalen Kolosses sei, den das Leben verließ. Um ihn zu füllen, um ihm seine wirkliche Seele einzuhauchen, bedurfte es der ganzen Pracht des religiösen Pompes; es bedurfte der achtzigtausend Gläubigen, die das Schiff fassen kann, der großen päpstlichen Zeremonien, der Pracht des Weihnachts- und Osterfestes, der Aufzüge, die den heiligen Staat mit den Dekorationen und der Inscenirung einer großen Oper entfalteten. Und er beschwor herauf, was er von dieser Pracht wußte: eine anbetende Menge überfüllte die Basilika, der übermenschliche Zug zog zwischen den zur Erde gebeugten Stirnen einher, Kreuz und Schwert eröffneten die Prozession, die Kardinäle schritten zu zweien wie Plejadengötter, gekleidet in das Chorhemd aus Spitzen, den Talar und den Mantel aus rotem Moiré, dessen Schleppe die Schleppträger hielten. Und zuletzt kam der Papst. Er saß wie ein mächtiger Jupiter aus einem Schilde von rotem Sammet in einem Lehnstuhl aus rotem Sammet und Gold, und war mit weißem Sammet, dem goldenen Chorrock, der goldenen Stola, der goldenen Tiara bekleidet. Die roten, goldgestickten Mäntel der Träger der Sedia gestatoria funkelten, die Flabelli bewegten über dem Haupte des alleinigen, souveränen Pontifex die großen Federfächer, die sich einst vor den Götzenbildern des antiken Rom wiegten. Und welch blendender, glorreicher Hof umgab diesen Triumphsessel! Die ganze päpstliche Hausgenossenschaft, die Flut der assistirenden Prälaten, die Patriarchen, die Erzbischöfe und Bischöfe, alle in goldenen Ornaten und Mitren! Die bestallten Geheimkämmerer in violetter Seide, die wirklichen Kämmerer im schwarzen
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