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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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und Gattin lagen oft beisammen, mit dem Kinde zu ihren Füßen; die überströmende Flut der Unbekannten ließ die Persönlichkeit, den Bischof, den Märtyrer untergehen, und die rührendste Gleichheit, die der Bescheidenheit, herrschte am Grunde dieses Staubes, der gleichen Nischen, der schmucklosen Platten. Dieselbe Naivität, dieselbe Verschwiegenheit vermischte die endlosen Reihen der schlummernden Häupter. Kaum daß die Inschriften sich ein Lob gestatteten, und auch dann war es so vorsichtig, so zart: die Männer sind sehr würdig, sehr fromm, die Frauen sind sehr sanft, sehr schön, sehr keusch. Der Duft der Kindheit stieg von hier auf, eine unbegrenzte und echt menschliche Zärtlichkeit, der Tod der ersten christlichen Gemeinde – dieser Tod, der sich verbarg, um wieder aufzuleben, der nicht mehr von der Herrschaft der Welt träumte.
    Und plötzlich sah Pierre im Geiste die Gräber von gestern wieder vor sich, diese prunkvollen Gräber, die er zu beiden Seiten der Via Appia heraufbeschworen, die im vollen Sonnenlicht den Herscherstolz eines ganzen Volkes zur Schau stellten. Sie dehnten sich mit ihren gewaltigen Dimensionen, ihren Anhäufungen von Marmor, ihren indiskreten Inschriften, ihren Meisterwerken der Bildhauerkunst, ihren Friesen, Basreliefs und Statuen in prahlerischer Pracht hin. Ach, welchen außerordentlichen Gegensatz bildete diese pomphafte Todesstraße mitten auf der flachen Campagna, die wie eine Triumphstraße in die königliche ewige Stadt führte, zu der unterirdischen Stadt der Christen, dieser verborgenen, sanften, schönen, keuschen Totenstadt! Hier war nichts mehr als Schlaf, als die ersehnte und anerkannte Nacht, als eine heitere Ergebung, die sich in Erwartung der Seligkeit des Himmels gerne der guten Ruhe im Dunkeln anvertraute; und alles, bis zu dem sterbenden, seine Schönheit verlierenden Heidentum, bis zur Unbeholfenheit der Arbeiter erhöhte den Reiz dieser armseligen, fern von der Sonne, in der Nacht der Erde gegrabenen Friedhöfe. Millionen von Wesen hatten sich demütig in diese wie von klugen Ameisen durchbohrte Erde zur Ruhe gelegt; sie hatten dort jahrhundertelang geschlafen und würden noch jetzt, von Schweigen und Dunkel gewiegt, geheimnisvoll dort schlummern, wenn die Menschen nicht gekommen wären und ihre Sehnsucht nach Vergessenheit gestört hätten, ehe die Posaunen des Gerichtes die Auferstehung verkündeten. Der Tod hatte nun vom Leben gesprochen; es gab nichts Lebendigeres, als diese vergrabenen Städte voll unzähliger, namenloser, unbekannter Toten. Einst war von ihnen ein ungeheurer Odem ausgegangen – der Odem einer neuen Menschheit, die die Welt erneuern sollte. Mit der Demut, mit der Verachtung des Fleisches, mit dem entsetzten Haß der Natur, dem Verzicht auf irdische Genüsse, der Sehnsucht nach dem Tode, der befreit und das Paradies eröffnet, begann eine neue Welt. Und das Blut des Augustus, so stolz in feinem königlichen Purpur, so glanzvoll in seiner höchsten Herrschaft, schien einen Augenblick zu verschwinden, als hätten die dunklen Grüfte der neuen Erde es hinabgetrunken.
    Der Bruder bestand darauf, den Damen die Treppe des Diocletian zu zeigen, und erzählte ihnen ihre Legende.
    »Ja, es war ein Wunder ... Unter diesem Kaiser verfolgten die Soldaten Christen, die sich in diese Katakomben flüchteten; und als die Soldaten ihnen folgen wollten, brach die Treppe, und alle stürzten hinab ... Die Stufen sind noch heute zerbrochen. Bitte, sehen Sie es sich an; es sind nur ein paar Schritte.«
    Aber die Damen waren ganz zerbrochen und durch dieses Dunkel und diese Totengeschichten zuletzt von einem solchen Unbehagen ergriffen, daß sie unbedingt hinauf wollten. Ueberdies näherten sich die dünnen Kerzen ihrem Ende; alle waren ganz geblendet, als sie sich endlich wieder in der Sonne, vor dem kleinen Laden mit frommen Gegenständen befanden. Das junge Mädchen kaufte einen Briefbeschwerer; es war ein Stück Marmor, auf dem der Fisch, das Symbol von »Jesus Christus, Sohn Gottes, Heiland« eingeschnitten war.
    Am Nachmittag desselben Tages besichtigte Pierre die Basilika von St. Peter. Er kannte davon noch nichts als den großartigen Platz mit den Obelisken und den zwei Springbrunnen, über den er einmal gefahren war. Der ungeheure Rahmen der Kolonnaden Berninis, dieses aus Säulen und Mastern bestehenden Viereckes, umgibt ihn mit einem Gürtel von monumentaler Majestät. Im Hintergrunde erhebt sich die Basilika; sie wird durch ihre Fassade

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