Rom - Band II
dem selbst eine mörderische Flamme zu brennen schien. Seine Verbrecheraugen leuchteten wie glühende Kohlen. Und der See – rund wie ein in diesen Krater, in diese Schale hinabgefallener erloschener Mond! Diese Schale sah noch tiefer und schmaler aus wie der Albanersee und war mit Bäumen von erstaunlicher Kraft und Dichtigkeit bedeckt. Pinien, Ulmen und Weiden ziehen sich in einer grünen Flut von einander erdrückenden Zweigen bis zum Ufer hin. Diese schreckliche Fruchtbarkeit entspringt den fortwährenden Wasserdämpfen, die sich hier unter der brennenden Einwirkung der Sonne entwickeln; die Sonnenstrahlen häufen sich in dieser Höhlung, wie in einem Schmelzofenherd an. Es ist eine heiße, schwere Feuchtigkeit; die Alleen der umliegenden Gärten überziehen sich mit grünem Moos und dichte Nebel erfüllen oft des Morgens die ungeheure Schale mit einem weißen Dampf, wie mit einer rauchenden Hexenmilch von böser Zauberkraft. Pierre entsann sich wohl seines Unbehagens angesichts dieses Sees, in dem inmitten der bewunderungswürdigen Umgebung alte Greuelthaten, eine ganze geheimnisvolle Religion mit abscheulichen Gebräuchen zu schlummern schienen. Er hatte ihn bei Abendanbruch, im Schatten seines Wäldergürtels gesehen; er glich einer trüben, schwarz und silbernen Metallplatte von drückender Unbeweglichkeit und dieses klare, aber so tiefe Wasser, dieses einsame Wasser, auf dem kein Boot zu sehen war, dieses tote, erhabene, gruftähnliche Wasser hatte in ihm eine unbeschreibliche Traurigkeit, eine Schwermut zum Sterben zurückgelassen. Es war die Verzweiflung der großen, einsamen Brunst, wenn Erde und Wasser von dem stummen Schmerz der Keime in beunruhigender Fruchtbarkeit schwellen. Ach, diese dunklen, versinkenden Ufer, dieser düstere, schwarze See, der da unten, am Grunde ruhte!
Graf Prada begann über diesen Eindruck zu lachen.
»Ja, ja, es ist wahr, der Nemisee ist nicht alle Tage fröhlich. Ich habe ihn bei trübem Wetter gesehen; er war bleifarben und die starken Sonnenstrahlen belebten ihn nicht, obwohl sie ihn beleuchteten. Was mich betrifft, so weiß ich, daß ich vor Langeweile zu Grunde ginge, wenn ich gegenüber diesem ganz kahlen Gewässer leben müßte. Aber er hat für sich die Dichter und die romantischen Frauen – solche, die eine große, leidenschaftliche Liebe mit tragischer Lösung anbeten.«
Als dann die beiden Tischgenossen sich erhoben hatten, um den Kaffee auf einer Terrasse zu nehmen, wechselte das Gespräch.
»Gedenken Sie heute abend den Empfang des Fürsten Buongiovanni zu besuchen?« hob der Graf an. »Es wird für einen Fremden ein interessantes Schauspiel sein und ich rate Ihnen, es nicht zu versäumen.«
»Ja, ich habe eine Einladung,« antwortete Pierre. »Ein Freund von mir, Herr Narcisse Habert, ein Attaché unserer Gesandtschaft, hat sie mir verschafft und soll mich übrigens einführen.«
In der That, am selben Abend sollte im Palast Buongiovanni auf dem Corso ein Fest, einer jener seltenen Galaempfänge stattfinden, wie sie nur zwei- oder dreimal im Winter gegeben werden. Man erzählte sich, daß dieser an Pracht alles übertreffen würde, denn er fand zu Ehren der Verlobung Celias, der kleinen Prinzessin, statt. Der Fürst hatte plötzlich, nachdem er, wie es hieß, seine Tochter geohrfeigt und sich selbst bei einem schrecklichen Zornanfall ernstlich der Gefahr eines Schlaganfalles ausgesetzt hatte, vor dem ruhigen und sanften Starrsinn des jungen Mädchens nachgegeben. Er willigte in ihre Heirat mit dem Lieutenant Attilio, dem Sohn des Ministers Sacco, und alle römischen Salons, die weiße Gesellschaft sowie die schwarze, waren darüber außer Rand und Band geraten.
Graf Prada geriet abermals in Heiterkeit.
»Ach, ich versichere Sie, Sie werden ein schönes Schauspiel erleben! Ich bin darüber, meines guten Vetters Attilio wegen, entzückt; denn er ist wirklich ein sehr ehrlicher und reizender Junge. Um nichts in der Welt werde ich den Eintritt meines lieben Oheims Sacco, der endlich das Portefeuille des Ackerbauministers losgehakt hat, in die antiken Salons der Buongiovanni versäumen. Es wird wirklich ein außerordentlicher und prächtiger Anblick sein ... Mein Vater, der alles ernst nimmt, hat mir heute morgen erzählt, daß er deswegen die ganze Nacht kein Auge geschlossen habe.«
Er unterbrach sich, fuhr aber sogleich fort:
»Hören Sie, es ist schon halb drei; vor fünf Uhr werden Sie keinen Zug mehr bekommen. Wissen Sie, was Sie thun müßten? Mit
Weitere Kostenlose Bücher