Rom - Band II
furchtbares, fieberhaftes Spiel, das an die Stelle des kleinen, geregelten, päpstlichen Lotto getreten war – ein Spiel mit Millionen, bei dem Grundstücke und Bauten bloß Vorwände für Börsenunternehmungen wurden. Der alte, atavistische Hochmut, der Rom in die Hauptstadt der Welt verwandeln wollte, erhitzte sich durch dieses heiße Spekulationsfieber bis zum Wahnsinn; es wurde gekauft, gebaut, um wieder zu verkaufen, ohne Maß, ohne Aushalten, so wie Aktien aufgeworfen werden, so lange die Pressen nur drucken wollten.
Gewiß, noch nie hatte eine in der Entwicklung begriffene Stadt ein solches Schauspiel geboten. Wenn man sich heute bemüht, es zu begreifen, so wird man verwirrt. Die Bevölkerungsziffer hatte fünfmalhunderttausend überschritten und schien dabei stehen bleiben zu wollen. Das hinderte jedoch nicht, daß die neuen Viertel immer dichter aus dem Boden schossen. Für welches künftige Volk wurde mit dieser Art Wut gebaut? Welche Sinnesverwirrung bewog die Leute, die Bewohner nicht erst abzuwarten, sondern derart Tausende von Wohnungen für Familien vorzubereiten, die vielleicht morgen kommen würden? Die einzige Entschuldigung dafür war, daß es bereits im voraus als eine unumstößliche Wahrheit aufgestellt worden war, daß das dritte Rom, die triumphirende Hauptstadt Italiens, nicht weniger als eine Million Seelen haben könne. Sie waren noch nicht gekommen, aber kommen würden sie sicherlich: daran durfte kein Patriot zweifeln, ohne ein Verbrechen am Vaterlande zu begehen. So wurde unaufhaltsam für die fünfmalhunderttausend unterwegs befindlichen Bürger gebaut und gebaut. Man kümmerte sich nicht einmal mehr um den Tag ihrer Ankunft; es genügte, daß man auf sie rechnete. In Rom hatten sich auch Gesellschaften zur Errichtung breiter Straßen durch die niedergerissenen, ungesunden, alten Viertel gebildet, und diese verkauften oder vermieteten ihre Grundstücke, aus welchen sie großen Nutzen schlugen. Aber je mehr der Wahnsinn wuchs, desto mehr Gesellschaften entstanden, um den Gewinnhunger zu befriedigen; sie verfolgten den Zweck, auch außerhalb Roms neue Viertel zu errichten – immer wieder neue Viertel, wahre kleine Städte, deren niemand bedurfte. Vor der Porta S. Giovanni, vor der Porta S. Lorenzo wuchsen die Vorstädte wie durch ein Wunder in die Höhe. Auf den ungeheuren Gründen der Villa Ludovisi, von Porta Salaria bis zur Porta Pia, bis S. Agnese entstand der Entwurf einer Stadt, und auf den Prati del Castello wollte man mit einemmale eine ganze Stadt samt Kirche, Schule und Markt aus dem Boden erstehen lassen. Es handelte sich aber nicht um kleine Arbeiterhäuser, um bescheidene Wohnungen für das geringe Volk und für Beamte, sondern um gewaltige Bauten, um wahre Paläste zu drei und vier Stockwerken mit gleichförmigen, übermäßig großen Fassaden, die aus diesem neuen, überspannten Viertel babylonische Stadtteile machten, wie sie nur Hauptstädte mit einem regen Industrieleben gleich Paris oder London bevölkern können. Das sind die ungeheuerlichen Erzeugnisse des Hochmuts und des Spieles. Und was für eine bittere, historische Lehre ist es, da Rom, nun zu Grunde gerichtet, außerdem von diesem häßlichen Gürtel aus großen, kreidigen, leeren und meist unvollendeten Gerippen entehrt wird, deren Trümmer bereits die grasbewachsenen Straßen bedecken!
Der unselige Zusammenbruch, das Unglück war furchtbar. Narcisse setzte dessen Gründe aus einander und erläuterte die einzelnen Phasen so deutlich, daß Pierre alles begriff. Selbstverständlich waren zahlreiche Finanzgesellschaften aus dem Düngerboden der Spekulation aufgeschossen: die Immobiliere, die Societa d'Ediliza e Construzione, die Fondaria, die Tiberiana, die Esquilino. Fast alle ließen bauen und errichteten ungeheure Häuser, ganze Straßen zum Verkauf; aber sie spielten auch mit Baugründen und überließen sie mit großem Nutzen den kleinen Spekulanten, die in der von dem wachsenden Agiofieber begründeten, fortwährenden künstlichen Hausse von allen Seiten erstanden und ebenfalls von ungeheuren Gewinnsten träumten. Das schlimmste dabei war, daß diese kleinen Bürger, diese unerfahrenen und kapitalslosen Krämer so bethört wurden, daß sie ebenfalls bauen wollten; sie borgten bei den Banken und wendeten sich an die Gesellschaften, die ihnen die Grundstücke verkauft hatten, um von ihnen das zur Vollendung der Bauten notwendige Geld zu erlangen. Zumeist waren die Gesellschaften, um nicht alles zu
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