Rom - Band II
romantische Abenteuer, über das Narcisse ein Sonett machte: »Die schöne Perlenarbeiterin verliebt sich zum Sterben in den wunderschönen, jungen Fürsten, der vorübergeht und ihr, von ihrem Unglück gerührt, einen Thaler reicht; die schöne Perlenarbeiterin, tief ins Herz getroffen, weil er ebenso mildthätig wie schön ist, träumt fortan nur von ihm, folgt ihm überall hin, und ein Flammenband fesselt sie an seine Schritte; und die schöne Perlenarbeiterin, die den Thaler zurückgewiesen hat, fordert zuletzt mit ihren unterwürfigen, zärtlichen Augen als Almosen das Herz des jungen Fürsten, das er ihr eines Abends auch gnädig schenkt.« Benedetta fand an diesem Spiel großes Gefallen. Aber Celia, die mit ihrem engelhaften Gesicht wie ein kleines Mädchen aussah, das noch von nichts hätte wissen dürfen, blieb sehr ernst.
»Dario, Dario, sie liebt Sie,« wiederholte sie traurig. »Sie dürfen sie nicht kränken.«
Nun ward auch die Contessina von Mitleid bewegt.
»Und die armen Leute sind ohnehin nicht glücklich.«
»O, es ist ein unglaubliches Elend,« rief der Fürst. »Als sie mich damals da hinunter auf die Prati del Castello führte, benahm es mir ordentlich den Atem. Es ist grauenhaft, unglaublich grauenhaft.«
»Aber ich erinnere mich, wir hatten ja den Plan, diese Unglücklichen zu besuchen,« fuhr Benedetta fort. »Es ist sehr schlecht von uns, daß wir so lange damit gezögert haben ... Nicht wahr, Herr Abbé Froment, es wäre Ihnen für Ihre Studien sehr erwünscht gewesen, uns dorthin zu begleiten und so die arme römische Bevölkerung aus der Nähe zu sehen?«
Sie hob die Augen zu Pierre empor. Dieser hatte seit einer Weile geschwiegen. Es rührte ihn sehr, daß ihr dieser barmherzige Gedanke wieder in den Sinn kam, denn er merkte an dem leichten Beben ihrer Stimme, daß sie sich damit als gelehrige Schülerin zeigen wollte, die in der Liebe zu den Armen und Unglücklichen Fortschritte machte. Außerdem hatte ihn die Leidenschaft für sein Apostelamt sofort wieder ergriffen.
»O, ich werde Rom nicht eher verlassen, als bis ich das leidende, arbeitslose und brotlose Volk hier gesehen habe,« sagte er. »Darin liegt die Krankheit aller Nationen, und das Heil kann nur aus der Heilung des Elends kommen. Wenn die Wurzeln des Baumes nicht essen, so stirbt der Baum.«
»Nun gut, da wollen wir die Sache sofort festsetzen,« fuhr Benedetta fort. »Sie kommen mit uns nach den Prati del Castello ... Dario wird uns hinführen.«
Dieser hatte dem Priester mit verblüffter Miene zugehört, ohne das Gleichnis vom Baume und seinen Wurzeln völlig zu verstehen.
»Nein, nein, Cousine,« rief er jetzt ganz bestürzt, »führe den Herrn Abbé dort spazieren, wenn es Dich unterhält. Ich war schon einmal dort und gehe nicht wieder hin. Auf mein Wort, ich mußte mich, als ich zurückkam, beinahe ins Bett legen; Kopf und Magen drehten sich mir um ... Nein, es ist zu traurig, ein solcher Greuel ist ganz unglaublich.«
In diesem Augenblick ertönte eine unzufriedene Stimme aus dem Winkel neben dem Kamin. Donna Serafina brach ihr langes Stillschweigen.
»Dario hat recht. Schicke ihnen ein Almosen, meine Liebe, ich werde gerne dazu beitragen ... Es gibt viel sehenswertere Orte, wo Du den Herrn Abbé hinführen kannst ... Du wirst ihm wirklich ein schönes Andenken an unsere Stadt mitgeben.«
Aus ihrer schlechten Laune klang nur der römische Stolz heraus. Wozu seine Wunden den Fremden zeigen, die vielleicht nur eine feindselige Neugierde hierher führte? Rom mußte immer schön sein und durfte nur in dem Pomp seines Ruhmes gezeigt werden.
Aber Narcisse hatte sich Pierres bemächtigt.
»Ja, mein Lieber, das ist wahr, ich vergaß ganz, Ihnen diesen Spaziergang zu empfehlen ... Sie müssen unbedingt die neuen Viertel sehen, die auf den Prati del Castello gebaut wurden. Sie sind typisch für alle anderen, und ich stehe gut dafür, daß es keine verlorene Zeit für Sie sein wird, denn nichts in der Welt könnte Ihnen einen bessern Aufschluß über das heutige Rom geben. Es sieht dort außerordentlich aus, ganz außerordentlich.«
Dann wandte er sich zu Benedetta.
»Ist es also abgemacht, wollen Sie morgen vormittag hin? ... Der Abbé und ich werden Sie dort erwarten, denn ich will ihm vorher alles erklären, damit er es richtig begreift ... Also zehn Uhr, ist es Ihnen recht?«
Ehe die Contessina antwortete, wandte sie sich zu ihrer Tante und machte ihr ehrerbietige Vorstellungen.
»Aber, Tante, der Herr
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