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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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bin ein Römer aus Rom.« Pierre lächelte traurig und schwieg. Noch nie hatte er den Hochmut der Rasse, das uralte, so schwer auf den Schultern lastende Erbteil des Ruhmes besser empfunden. In diesem degenerirten Knaben, der kaum lesen und schreiben konnte, lebte die unumschränkte Eitelkeit der Cäsaren wieder auf. Dieser Hungerleider kannte seine Stadt, hatte instinktmäßig die schönsten Seiten ihrer Geschichte hersagen können. Die Namen der großen Kaiser und der großen Päpste waren ihm vertraut. Wozu also arbeiten, nachdem man die Herren der Erde gewesen war? Warum sollte man in der schönsten Stadt, unter dem schönsten Himmel nicht in Vornehmheit und Trägheit leben?
    »Io son Romano di Roma!«
    Benedetta hatte der Mutter ihre Gabe in die Hand gedrückt, und Pierre wie Narcisse, die sich ihrem guten Werke anschließen wollten, thaten dasselbe. Da auf einmal hatte Dario, der gleichfalls dem Beispiel seiner Base gefolgt war, einen hübschen Einfall. Er wollte Pierina, der er kein Geld anzubieten wagte, nicht vergessen, legte die Finger leicht auf seine Lippen und sagte mit leisem Lächeln:
    »Für die Schönheit!«
    Und dieser durch die Luft geschickte Kuß, dieses etwas spöttische Lachen, dieser vertrauliche Fürst, der wie in einer Liebesgeschichte aus der alten Zeit die stumme Anbetung der schönen Perlenarbeiterin erweckte, war wirklich etwas Reizendes und Hübsches.
    Pierina wurde vor Freude ganz rot; sie verlor den Kopf, stürzte sich auf die Hand Darios und preßte in einer unüberlegten Bewegung, in die sich ebenso viel Dankbarkeit als verliebte Zärtlichkeit mischte, ihre heißen Lippen darauf. Aber die Augen Titos flammten vor Zorn auf; er packte seine Schwester roh beim Rock und stieß sie dumpf murrend mit der Faust beiseite.
    »Hör Du, Du weißt, ich bringe Dich um und ihn auch!«
    Es war hohe Zeit zu gehen, denn andere Frauen, die Geld witterten, traten herzu, streckten die Hände aus und schoben heulende Kinder vorwärts. Eine heftige Erregung hatte das elende Viertel mit den großen, verlassenen Bauten ergriffen, ein Notschrei stieg aus den toten Straßen mit den klangvollen Marmortafeln auf. Was thun? Allen konnte man doch nicht geben. Es blieb nichts übrig als die Flucht, während das Herz bei diesem Schluß der ohnmächtigen Nächstenliebe vor Trauer überfloß.
    Als Benedetta und Dario zu ihrem Wagen zurückgekehrt waren, stiegen sie eilig ein und schmiegten sich, froh, diesem Alpdrücken entkommen zu sein, an einander. Dennoch war Benedetta glücklich, daß sie sich vor Pierre tapfer gezeigt hatte, und drückte ihm wie eine gerührte Schülerin die Hand, als Narcisse erklärte, daß er den Priester zurückbehalten wolle, um ihn zum Frühstück in das kleine Restaurant am Petersplatz zu führen, von wo man eine so interessante Aussicht aus den Vatikan hatte.
    »Trinkt Gonzano Weißwein,« rief ihnen Dario nach, der wieder sehr munter geworden war. »Es gibt nichts Besseres, um sich die finsteren Gedanken zu vertreiben.«
    Aber Pierre wollte noch weitere Einzelheiten hören; er war unersättlich. Unterwegs fragte er Narcisse über das römische Volk, sein Leben, seine Gewohnheiten, seine Sitten aus. Der Unterricht war fast gleich Null. Keinerlei Industrie, keinerlei Außenhandel. Die Männer übten die wenigen gangbaren Handwerke aus, der ganze Verbrauch beschränkte sich auf den Platz. Unter den Frauen gab es Perlenarbeiterinnen, Stickerinnen, und religiöse Artikel, Medaillen, Rosenkränze, wie die Erzeugung lokaler Schmucksachen hatten jederzeit eine gewisse Anzahl von Arbeitern beschäftigt. Sowie aber die Frau heiratete und Mutter dieser wie durch ein Wunder aufwachsenden Kinderschwärme wurde, arbeitete sie nicht mehr. Mit einem Worte, die Bevölkerung lebte dahin, arbeitete gerade genug, um essen zu können, begnügte sich mit Gemüsen, Nudeln, geringem Hammelfleisch – ohne Empörung, ohne Ehrgeiz für die Zukunft, einzig und allein der Sorge um dieses unsichere Leben, von der Hand in den Mund lebend. Die beiden einzigen Laster waren das Spiel und der weiße und rote Wein der römischen Schlösser; es war ein Wein, der zu Streit und Totschlag trieb, der am Abende von Festtagen beim Verlassen der Schenken die Straßen mit röchelnden, von Messerstichen durchbohrten Männern bedeckte. Die Mädchen waren selten liederlich; solche, die sich vor der Heirat hingaben, waren zu zählen. Das kam daher, weil die Familie sehr einig, vollständig der unumschränkten Autorität des Vaters

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