Rom - Band II
fortan nur noch den Tod einer Welt dahin zu wälzen schien. Nur der große, reiche Himmel, der ewige, prunkvolle Himmel entfaltete über dem Schattenfluß, der die Ruinen von mehr als dreitausend Jahren dahinwälzte, das glänzende Leben seiner Millionen Gestirne.
Als Pierre, ehe er sich in sein Zimmer hinauf begab, einen Augenblick bei Dario eintrat, fand er dort Viktorinen vor, die im Begriffe war, alles für die Nacht vorzubereiten.
»Wie, Herr Abbé, Sie sind schon wieder zu dieser Stunde auf dem Quai spazieren gegangen?« rief sie, als er erzählte, woher er komme. »Sie wollen sich also auch einen schönen Messerstich holen ... Na, mir fiele es nicht ein, in dieser verwünschten Stadt so spät frische Luft zu schöpfen.«
Dann wandte sie sich mit der ihr eigenen Vertraulichkeit zu dem Fürsten, der auf einem Fauteuil lag und lächelte.
»Wissen Sie, dieses Mädchen, die Pierina, ist nicht mehr wieder gekommen, aber ich habe sie gesehen, wie sie da drüben zwischen den Demolirungen herumstrich.«
Dario gebot ihr mit einer Geberde Schweigen. Er wandte sich zu dem Priester.
»Und doch haben Sie mit ihr gesprochen! Das wird zuletzt dumm ... Dieses Vieh von Tito wird noch einmal wieder kommen und mir sein Messer in die andere Schulter stoßen!«
Er schwieg plötzlich, da er Benedetta vor sich bemerkte; sie war geräuschlos eingetreten, um ihm gute Nacht zu wünschen, und hörte zu. Er ward außerordentlich verlegen, wollte sprechen, erklären, ihr schwören, daß er an diesem Abenteuer gänzlich unschuldig sei, aber sie lächelte und sagte bloß zärtlich:
»Mein Dario, ich kenne Deine Geschichte bereits. Du kannst Dir wohl denken, so dumm bin ich nicht, daß ich nicht nachgedacht und begriffen hätte. Wenn ich aufgehört habe, Dich zu fragen, so kam es daher, weil ich alles wußte und Dich trotzdem liebte.«
Sie war übrigens sehr glücklich; sie hatte an diesem selben Abend erfahren, daß Monsignore Palma, der Verteidiger der Ehe in ihrem Scheidungsprozeß, sich für den seinem Neffen geleisteten Dienst erkenntlich gezeigt hatte, indem er ein ihr günstiges Plaidoyer einreichte. Wohl hatte sich der Prälat nicht vollständig auf ihre Seite gestellt, da er sich nicht allzu sehr Lügen strafen wollte; aber die Certifikate der beiden Aerzte erlaubten ihm, auf einen sichern jungfräulichen Zustand zu schließen, und er hatte nun, über die Thatsache hinweggleitend, daß die Nichtvollziehung vom Widerstande der Frau herrühre, geschickt die Gründe zusammengestellt, die eine Annullirung notwendig machten. Da jede Hoffnung aus Annäherung vergeblich war, stand es fest, daß die Gatten sich in beständiger Gefahr befanden, in Unenthaltsamkeit zu verfallen. Er machte eine diskrete Anspielung auf den Gatten, wie um zu zeigen, daß dieser bereits der Gefahr erlegen sei; dann feierte er die hohe Moralität der Frau, ihre Frömmigkeit, alle Tugenden, die eine Bürgschaft zu Gunsten ihrer Wahrheitsliebe waren, und überließ, obwohl er sich nicht aussprach, alles der Weisheit der Kongregation. Aber da Monsignore Palma beiläufig die Gründe des Advokaten Morano wiederholte, und da Prada hartnäckig dabei blieb, nicht mehr zu erscheinen, schien es außer Zweifel zu sein, daß die Kongregation mit sehr großer Mehrheit für die Annullirung stimmen würde. Das würde dem heiligen Vater gestatten, mit Wohlwollen vorzugehen.
»Ach, mein Dario, jetzt hat unser Kummer ein Ende... Aber wie viel Geld das kostet, wie viel Geld! Tante sagt, daß sie uns kaum das bloße Wasser zum Trinken lassen werden.«
Und sie lachte mit der schönen Sorglosigkeit einer leidenschaftlich Verliebten. Das Kostspielige war nicht die Gerichtsbehörde der Kongregation, denn dem Prinzipe nach sprach sie umsonst Recht, aber es mußten unendlich viele kleine Kosten, alle untergeordneten Beamten, dann die ärztlichen Sachverständigen, die Abschriften, Satzschriften und Plaidoyers bezahlt werden. Außerdem, wenn man auch, wohlverstanden, die Stimmen der Kardinale nicht unmittelbar kaufte, so kamen doch gewisse Stimmen auf sehr hohe Summen zu stehen, da man sich der Kreaturen Ihrer Eminenzen versichern und ihre ganze Umgebung in Bewegung setzen mußte – abgesehen davon, daß große Geldgeschenke, falls sie mit Takt gegeben werden, im Vatikan entscheidende Gründe bilden und die ärgsten Schwierigkeiten durchschneiden. Und endlich hatte der Neffe Monsignore Palmas schrecklich viel gekostet.
»Aber nicht wahr, mein Dario, da Du jetzt geheilt bist,
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