Rom - Band II
hinzu:
»Nein, nein, fangen Sie nicht mit Monsignore Fornaro an. Statten Sie zuerst einen höchst demütigen Besuch beim Präfekten der Indexkongregation, bei Seiner Eminenz dem Kardinal Sangumetti, ab; denn wenn er es eines Tages erfährt, würde er es Ihnen nie verzeihen, daß Sie einem andern Ihre erste Huldigung darbrachten.«
Er hielt inne und fügte mit leiser Stimme, von einem leichten Schauer seines Fiebers geschüttelt, hinzu:
»Und er würde es erfahren; man erfahrt alles.«
Dann ergriff er beide Hände des fremden jungen Priesters, als rege sich eine plötzliche Tapferkeit der Sympathie in ihm:
»Mein lieber Herr Froment, ich schwöre Ihnen, daß ich mich sehr glücklich schätzen würde, wenn ich Ihnen etwas nützen könnte, denn Sie sind ein argloses Herz und thun mir zuletzt wirklich leid. Aber Sie dürfen nichts Unmögliches von mir verlangen. Wenn Sie wüßten, wenn ich Ihnen alle Gefahren anvertrauen würde, die uns umgeben! ... Aber so viel glaube ich Ihnen noch heute sagen zu können: rechnen Sie in keiner Weise auf meinen Herrn, Seine Eminenz den Kardinal Boccanera. Er hat Ihr Buch mehrmals in meiner Gegenwart vollständig gemißbilligt. Er aber ist ein Heiliger, ein Ehrenmann, und wenn er Sie auch nicht verteidigt, so wird er Sie doch nicht angreifen, sondern aus Rücksicht auf seine Nichte, die Contessina, die er anbetet und die Sie beschützt, neutral bleiben. Wenn Sie ihn also sehen, verteidigen Sie sich nicht; das würde zu nichts führen und könnte ihn reizen.«
Pierre wurde durch diese Mitteilung nicht allzu sehr betrübt, denn er hatte gleich bei seiner ersten Unterredung mit dem Kardinal und in den wenigen Achtungsbesuchen, die er ihm seither abgestattet, begriffen, daß er an ihm stets nur einen Gegner haben würde.
»Ich werde ihn also aufsuchen, um ihm für seine Neutralität zu danken,« sagte er.
Aber da wurde Don Vigilio wieder von allen seinen Aengsten ergriffen.
»Nein, nein, thun Sie das nicht! Er wird vielleicht erraten, daß ich mit Ihnen darüber gesprochen habe, und was für ein Unglück wäre das für mich! Meine Stellung wäre erschüttert. Ich habe nichts gesagt, ich habe gar nichts gesagt! Besuchen Sie zuerst die Kardinäle, alle Kardinäle. Wir wollen annehmen, daß ich sonst nichts gesagt habe! Nicht wahr?«
Und er wollte an diesem Tage nicht weiter sprechen. Er verließ erschauernd das Zimmer, indem er den Korridor mit seinen flammenden Augen voll Unruhe nach rechts und links durchspähte.
Pierre verließ sofort das Haus, um sich zum Kardinal Sanguinetti zu begeben. Es war zehn Uhr; er hatte also Aussicht, ihn zu treffen. Der Kardinal bewohnte neben der Kirche S. Luigi de Francesi, in einer dunklen und engen Straße, den ersten Stock eines kleinen, bürgerlich eingerichteten Palastes. Das war nicht die Riesenruine von fürstlicher Größe und Schwermut, bei der der Kardinal Boccanera beharrte. Die einstigen, vorschriftsmäßigen Galaräume waren wie der ganze Haushalt eingeschränkt worden. Es gab hier weder einen Thronsaal mehr, noch einen unter einem Baldachin aufgehängten großen roten Kardinalshut, noch einen gegen die Wand gekehrten, das Kommen des Papstes erwartenden Lehnstuhl. Zwei in einander gehende, als Vorzimmer dienende Gemächer, ein Salon, in dem der Kardinal empfing – und alles ohne jeden Luxus, sogar ohne Bequemlichkeit. Die Mahagonimöbel stammten aus der Empirezeit, die Tapeten und Teppiche waren staubig, durch den langen Gebrauch verblichen. Uebrigens mußte der Besucher lange läuten, und als endlich ein Diener die Thür halb öffnete, indem er ohne Uebereilung seine Weste anzog, gab er nur die Antwort, daß Seine Eminenz seit gestern in Frascati sei.
Pierre erinnerte sich nun, daß der Kardinal Sanguinetti in der That ein Suburbikarbischof war. Er hatte in Frascati, seinem Bistum, eine Villa, in der er manchmal einige Tage zubrachte, wenn ein Ruhebedürfnis oder eine politische Ursache ihn dazu bewog.
»Wird Seine Eminenz bald zurückkommen?«
»O, das weiß man nicht. Seine Eminenz ist leidend und hat den Auftrag gegeben, ja niemand hinauszuschicken, der ihn belästigen könne.«
Als Pierre sich wieder auf der Straße befand, war er durch diesen ersten Querstrich ganz außer Fassung gebracht. Sollte er sich, da es jetzt so Eile hatte, ohne weiteres Zögern zu Monsignore Fornaro begeben? Die Piazza Navona war dicht daneben. Aber er erinnerte sich, daß Don Vigilio ihm anempfohlen hatte, zuerst die Kardinale zu besuchen;
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