Rom - Band II
bestand noch aus den ehemaligen Bedienten, den ehemaligen Schützlingen der Fürsten, den Pächtern, die ihre Güter pachteten, den Verwaltern, Notaren und Advokaten, die ihr Vermögen verwalteten; es bestand aus den Angestellten, den Beamten jeden Ranges und aller Klassen, den Deputirten, den Senatoren, die die Regierung aus den Provinzen hergeführt hatte; und endlich bestand es aus dem Schwarm gefräßiger Falken, die sich auf Rom herabstürzten, den Pradas, den aus dem ganzen Königreiche zusammengekommenen Raubvögeln, deren Krallen und Schnäbel alles, das Volk wie die Aristokratie verschlangen. Für wen also hatte man gearbeitet? Wem gehörten die Riesenbauten des neuen Rom, die von so maßloser Hoffnung und Hoffart waren, daß man sie nicht beenden konnte? Ueber Rom wehte ein Schreckenshauch; ein Krachen ließ sich hören, das in allen brüderlichen Herzen Unruhe und Thränen erweckte. Ja, das Ende einer Welt drohte: das Volk war noch nicht, die Aristokratie nicht mehr vorhanden, nur ein gefräßiges Bürgertum, das die Beute zwischen den Ruinen suchte. Und was für ein furchtbares Symbol waren diese neuen Paläste, die man nach dem riesigen Vorbilde der einstigen Paläste gebaut hatte! Der wachsende Reichtum, der triumphirende Luxus der neuen Hauptstadt der Welt sollte sich in diesen ungeheuren, prunkvollen, für Hunderttausende von vergeblich erhofften Seelen wuchernden Palästen niederlassen und nun waren sie der klägliche, besudelte und bereits wankende Zufluchtsort des niedrigsten Elends des Volles, aller Bettler und aller Landstreicher geworden!
Am Abende dieses Tages ging Pierre, als es schon dunkle Nacht geworden war, auf den Tiberquai vor dem Palazzo Boccanera, um dort eine Stunde zu verbringen. Das war eine Sammlung, eine außerordentliche Einsamkeit, die er sehr liebte, trotzdem Viktorine behauptete, daß die Gegend nicht sicher sei. Und in der That, in so tintenschwarzen Nächten, wie es diese war, hat keine Mördergrube jemals eine tragischere Umgebung gehabt. Keine Menschenseele, kein Vorübergehender zu sehen; rechts, links, gegenüber Stille, Dunkel, Leere. Die Palissaden, die den ungeheuren, verlassenen Zimmerplatz überall einschlossen, versperrten sogar den Hunden den Durchgang. An der Ecke des im Dunkel versunkenen Palastes erhellte ein Gashahn, der seit der Aufschüttung tiefer zu liegen gekommen war, den höckerigen Quai gleich an der Erde mit trübem Licht; die umherliegenden Materialien, die Haufen von Ziegeln und Hausteinen bildeten große, unbestimmte Schatten. Rechts glänzten auf der Ponte S. Giovanni di Fiorentini und in den Fenstern des Heiligengeisthospitals einige Lichter. Links, in dem unbestimmten Hintergrunde des Flußlaufes, versanken und verschwanden die fernen Viertel. Gegenüber lag Trastevere; die Häuser an dem steilen Ufer, wo nur wenige Scheiben durch einen trüben Schein gelb beleuchtet waren, nahmen sich wie blasse, undeutliche Phantome aus. Darüber hinaus hingegen bezeichnete nur ein dunkler Streifen den Janiculus, wo ganz oben die Laternen irgend einer Promenade ein Dreieck von Sternen aufblitzen ließen. Aber besonders der Tiber zog Pierre lebhaft an, denn er war zu dieser nächtlichen Stunde von einer schwarzen Majestät. Er blieb an der Steinbrüstung angelehnt stehen und sah lange Minuten zu, wie er zwischen den neuen Mauern dahinfloß, die des Nachts das schwarze, ungeheuerliche Aussehen eines für einen Riesen erbauten Gefängnisses annahmen. So lange in den Häusern gegenüber Lichter glänzten, konnte er sehen, wie die schweren Wassermassen vorüber zogen und langsam in den Reflexen schillerten, deren Schauer ihnen ein geheimnisvolles Leben verlieh. Er träumte endlos von der ganzen berühmten Vergangenheit dieses Flusses und beschwor oft die Legende herauf, die behauptet, daß fabelhafte Reichtümer im Kote seines Bettes vergraben sind. Bei jedem Einfall der Barbaren und besonders bei der Plünderung Roms sollen die Schätze der Tempel und Paläste hineingeworfen worden sein, um sie den Siegern zu entziehen. Diese Goldbarren, die da unten in dem undurchsichtigen Wasser zitterten – war das nicht der siebenarmige Leuchter, den Titus aus Jerusalem mitgebracht hatte? Und diese weißlichen Formen – waren das nicht Säulen und Statuen? Und dieser tiefe Wasserglanz – war das nicht ein Haufe von kostbaren Bechern, Vasen, von edelsteingeschmückten Kleinodien? Welch ein Traum war dieses verborgene Leben dieser Schätze, die dort viele Jahrhunderte
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