Rom - Band III
fest entschlossen war, seine Unfehlbarkeit nicht in unnützen Abenteuern bloßzustellen. Und er trank wieder einen Schluck Sirup und wischte sich mit seinem Taschentuch ab, wie ein Herrscher, dessen Galatagewerk zu Ende ist, der sich Zeit nimmt und diese einsame, stille Stunde wählte, um ohne Hast so lange zu sprechen, wie er Lust hatte.
Pierre bemühte sich, ihn zu seinem Buche zurückzuführen.
»Der Herr Vicomte de la Choue war so gut zu mir – er erwartet das meinem Buche bestimmte Schicksal, als ob es sein eigenes Werk wäre! Darum wäre ich sehr froh gewesen, wenn ich ihm ein gütiges Wort Eurer Heiligkeit überbringen könnte.«
Aber der Papst fuhr fort, sich abzuwischen, ohne zu antworten.
»Ich habe ihn bei Seiner Eminenz dem Kardinal Bergerot kennen gelernt. Das ist auch ein großes Herz, dessen feurige Nächstenliebe genügen müßte, wieder ein gläubiges Frankreich zu schaffen.«
Diesmal war die Wirkung eine sofortige.
»Ach ja, der Herr Kardinal Bergerot! Ich habe seinen Brief an der Spitze Ihres Buches gelesen. Er hat an dem Tage, an dem er ihn Ihnen schrieb, eine sehr böse Eingebung gehabt und Sie, mein Sohn, waren sehr strafbar, als Sie ihn veröffentlichten. Ich kann noch immer nicht glauben, daß der Herr Kardinal Bergerot gewisse Stellen Ihres Werkes gelesen hatte, als er Ihnen seine volle und gänzliche Zustimmung sandte. Ich will ihn lieber der Unwissenheit und des Leichtsinns zeihen. Wie hätte er ihre Angriffe gegen das Dogma, Ihre revolutionären Theorien billigen können, die auf die vollständige Zerstörung unserer heiligen Religion hinzielen? Wenn er es gelesen hat, so hat er keine andere Entschuldigung als eine plötzliche, unerklärliche, unverzeihliche Verirrung. Freilich herrscht in einem kleinen Teile des französischen Klerus ein so böser Geist. Das sind die gallikanischen Ideen, die unablässig wie Unkraut aufschießen, das ist ein Frondeur-Liberalismus, der sich gegen unsere Autorität empört, den es fortwährend nach freier Prüfung und sentimentalen Abenteuern gelüstet.«
Er wurde lebhaft, italienische Worte mischten sich in seine zögernde, französische Rede und seine dicke, nasale Stimme drang hellklingend wie Metall aus seinem gebrechlichen, wie aus Wachs und Schnee gebildeten Körper.
»Mag der Herr Kardinal Bergerot es erfahren: an dem Tage, da wir nur mehr einen empörten Sohn in ihm sehen, werden wir ihn zerbrechen. Er schuldet das Beispiel des Gehorsams; wir werden ihm unsere Unzufriedenheit mitteilen und hoffen, daß er sich unterwerfen wird. Zweifellos sind Demut, Nächstenliebe große Tugenden, und wir haben sie stets gern ihn ihm geehrt. Aber sie dürfen nicht die Zuflucht eines rebellischen Herzens sein, denn sie sind nichts, wenn der Gehorsam sie nicht begleitet. Der Gehorsam, der Gehorsam ist der schönste Schmuck der großen Heiligen!«
Betroffen, verstört hörte Pierre zu. Er vergaß an sich selbst und dachte nur an den gütigen, duldsamen Mann, auf den er jetzt diesen allmächtigen Zorn herabgezogen hatte. So hatte Don Vigilio recht gehabt: die Angebereien der Bischöfe von Poitiers und Evreux sollten über seinen Kopf hinweg den Gegner ihrer ultramontanen Intransigenz, den sanften, guten Kardinal Bergerot, diese allem Elend, allen Leiden der Armen und Geringen offenstehende Seele treffen. Er war darüber verzweifelt; die Denunziation des Bischofs von Tarbes, dieses Werkzeugs der Väter der Grotte, die wenigstens nur ihn als Antwort auf die auf Lourdes bezügliche Stelle traf, nahm er noch hin, aber der tückische Krieg der beiden anderen erbitterte und versetzte ihn in schmerzliche Empörung. Aus dem schwachen Greise mit dem gebrechlichen Vogelhalse aber sah er jetzt einen so grimmigen, so furchtbaren Herrn aufsteigen, daß er erzitterte. Wie hatte er sich nur beim Eintreten vom äußern Schein täuschen lassen, wie hatte er glauben können, daß das nur ein armer, altersschwacher Mann sei, der sich nach Frieden sehnte und entschlossen war, alles zu bewilligen? Ein Hauch war durch das schlummernde Zimmer geweht und hatte wieder den Kampf mitgebracht, seine Zweifel, seine Angst wieder geweckt. Ach, dieser Papst war ganz so, wie man ihn ihm in Rom geschildert hatte, wie er ihn sich nicht hatte vorstellen wollen: mehr Geist als Gefühl, maßlos stolz, von Jugend auf vom höchsten Ehrgeiz erfüllt, so daß er seiner Familie den Triumph versprochen, um von ihr die notwendigen Opfer zu erlangen. Seit er den Päpstlichen Thron einnahm, zeigte er
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