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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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fluchwürdige protestantische Irrlehre hatte auch keinen andern Vorwand. So wie man sich von der strengen Beobachtung der Dogmen, dem unbedingten Respekt vor den Ueberlieferungen entfernt, stürzt man in die fürchterlichsten Abgründe ... Ach, das Schisma, das Schisma! Mein Sohn, das ist ein Verbrechen, für das es keine Verzeihung gibt, das ist die Ermordung des wahren Gottes, das unreine Tier der Versuchung, von der Hölle zum Verderben der Gläubigen aufgehetzt. Wenn es in Ihrem Buche nur diese Worte von der ›neuen Religion‹ gäbe, müßte man es zerstören, verbrennen wie ein tödliches Seelengift.«
    Er sprach noch lange so weiter. Pierre aber dachte an das, was Don Vigilio ihm von den Jesuiten erzählt hatte, die im Dunkeln, im Vatikan wie anderwärts allmächtig waren und die Kirche unumschränkt regierten. War es also wahr, daß dieser staatsmännische Papst mit dem stets wachen Opportunismus, der von den Lehren des heiligen Thomas so durchdrungen zu sein glaubte, selbst unbewußt einer von ihnen, das fügsame Werkzeug in ihren gelenken sozialen Erobererhänden war? Auch er paktirte mit dem Jahrhundert, kam der Welt entgegen, ließ sich herab, ihr zu schmeicheln, um sie zu besitzen. Pierre hatte noch nie so grausam tief empfunden, daß die Kirche fortan darauf beschränkt war, nur durch Zugeständnisse und Schlauheit zu leben. Nun endlich ging ihm das, für einen französischen Priester anfangs so schwere Verständnis für diesen römischen Klerus, diese durch den Papst, seine Kardinäle, seine Prälaten dargestellte Regierung der Kirche auf. Gott in eigener Person hat sie mit der irdischen Verwaltung seines Gutes, der Menschen und der Erde, betraut. Sie fangen damit an, Gott beiseite, in den Hintergrund seines Tabernakels zu stellen, dulden nicht mehr, daß man über ihn verhandelt, schreiben die Dogmen als die Wahrheiten seines Wesens vor, kümmern sich aber selbst nicht mehr um ihn und verlieren keine Zeit damit, seine Existenz durch müßige, theologische Erörterungen zu beweisen. Offenbar existirt er, da sie in seinem Namen regieren. Das genügt. Sonach sind sie im Namen Gottes die Herren, willigen wohl ein, der Form nach Kandordate zu unterzeichnen, halten sie aber nicht, beugen sich nur vor der Gewalt und behalten sich stets ihre Oberhoheit vor, die schließlich eines Tages triumphiren wird. In Erwartung dieses Tages benehmen sie sich einfach wie Diplomaten, organisiren die langsame Eroberung wie Beamte des triumphirenden Gottes von morgen und die Religion mit dem Prunk, der Pracht, die die Mengen gewinnen, ist somit nichts als die öffentliche Huldigung, die sie ihm einzig und allein zu dem Zwecke erweisen, ihn über die entzückte, eroberte Menschheit regieren zu lassen – besser gesagt, um an seiner Statt zu regieren; denn sie sind seine sichtbaren, von ihm bestellten Vertreter. Sie stammen von dem römischen Recht ab, sie sind immer nur die Kinder dieses alten, heidnischen, römischen Bodens, und wenn sie fortbestanden, wenn sie ewig, bis zu der ersehnten Stunde, da die Weltherrschaft ihnen zurückgegeben werden wird, fortzubestehen glauben, so kommt das daher, weil sie die direkten Erben der Cäsaren, weil sie in ihren Purpur gehüllt, weil sie das ununterbrochene, lebendige Geschlecht aus dem Blute des Augustus sind.
    Pierre schämte sich nun seiner Thränen. Ach, seine armen Nerven! Ach, die Hilflosigkeit des Empfindsamen, des Schwärmers! Scham ergriff ihn, als hätte er sich hier in der Nacktheit seiner Seele gezeigt. Großer Gott, und wie unnütz! In diesem Zimmer, in dem nie etwas Aehnliches gesprochen worden, vor diesem Papst-König, der ihn nicht hören konnte! Der politische Gedanke der Päpste, durch die Geringen und durch die Armen zu herrschen, flößte ihm Grauen ein. War der Gedanke, das von seinen ehemaligen Herren befreite Volk aufzusuchen, um sich nun seinerseits von ihm zu nähren, nicht teuflisch? Wahrlich, er hatte an dem Tage, da er sich einbildete, ein römischer Prälat, ein Kardinal, ein Papst wären im stande, die Rückkehr zur christlichen Gemeinde, eine neue Blüte des Urchristentums zuzugeben, die die alten, vom Haß verzehrten Völker pacificirt, wahnsinnig sein müssen. Ein solcher Einfall konnte Menschen, die seit Jahrhunderten die Herren der Welt waren, mit sorgloser Verachtung auf die Geringen und die Leidenden herabsahen, zuletzt der Barmherzigkeit und Liebe vollständig unfähig geworden waren, nicht einmal in den Sinn kommen.
    Aber Leo XIII. sprach mit

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