Rom - Band III
weltliche Herrschaft. Wie haben Sie glauben können, daß der heilige Stuhl jemals über diese Frage Vergleiche treffen würde? Diese Sprache ist eines Priesters unwürdig; das ist die Chimäre eines Unwissenden, der sich über die Bedingungen, unter denen das Papsttum bisher gelebt, unter denen es weiter leben muß, wenn es nicht von der Welt verschwinden will, keine Rechenschaft gibt. Sehen Sie nicht den Sophismus ein, wenn Sie erklären, daß es um so höher steht, je mehr es von den Sorgen seines irdischen Königtums befreit ist? Ach ja, das rein geistige Königtum, die Souveränität durch die Barmherzigkeit und die Liebe ist ein schönes Phantasiegebilde! Aber wer wird uns Respekt verschaffen? Wer wird uns einen Stein schenken, um unser Haupt darauf auszuruhen, wenn wir je verjagt werden und durch die Straßen irren? Wer wird unsere Unabhängigkeit sichern, wenn wir von der Gnade aller Staaten abhängen werden? Nein, nein, dieser römische Boden gehört uns, denn wir haben ihn von der langen Reihe der Vorfahren zum Erbe erhalten und er ist der unzerstörbare, ewige Boden, auf dem die heilige Kirche erbaut ist, so daß es den Zusammenbruch der heiligen römisch-katholisch-apostolischen Kirche wünschen heißt, wollte man ihn aufgeben. Uebrigens könnten wir es auch nicht; wir sind durch unsern Schwur vor Gott und den Menschen gebunden.«
Er schwieg einen Augenblick, um Pierre Zeit zu einer Antwort zu lassen. Aber dieser sah zu seinem Erstaunen, daß er keine Antwort fand, denn er bemerkte, daß dieser Papst sprach, wie er mußte. Das Wirre und Schwere, das sich in ihm angehäuft, das ihn vorhin im geheimen Vorsaal bedrückt hatte, hellte sich mit einemmale wieder auf und zeichnete sich mit immer größerer Deutlichkeit ab. Es war alles, was er seit seiner Ankunft gesehen, alles was er begriffen hatte, die Masse seiner Enttäuschungen, der bestehenden Wirklichkeit, unter deren Last sein Traum von einer Rückkehr zum Urchristentum bereits halb gestorben, zermalmt war. Er entsann sich plötzlich der Stunde, da er sich auf dem Dom von St. Peter, angesichts der alten, hartnäckig auf ihren Purpur bestehenden Stadt mit seinem Phantasiegebilde von einem rein geistigen Papst albern vorgekommen war. An diesem Tage war er vor dem wütenden Geschrei der den Papst-König akklamirenden Pilger des Peterspfennigs geflohen. Die Notwendigkeit des Geldes, dieser letzten Sklavenfessel des Papstes, hatte er hingenommen. Aber dann, als das wirkliche Rom, die uralte Stadt der Hoffart und der Gewalt ihm erschien, war alles zusammengebrochen. Das Papsttum würde darin ohne die weltliche Herrschaft nicht bestehen können. Zu viele Bande, das Dogma, die Ueberlieferung, die Umgebung, der Boden selbst machten es für ewig unwandelbar. Es konnte nur dem Scheine nach nachgeben; trotz allem würde eine Stunde kommen, in der die Unmöglichkeit, weiterzugehen, ohne Selbstmord zu begehen, seine Zugeständnisse aufhalten mußte. Das neue Rom würde sich vielleicht eines Tages nur außerhalb von Rom, in der Ferne verwirklichen; nur dort würde das Christentum wieder erwachen, denn der Katholizismus müßte an Ort und Stelle sterben, wenn der letzte Papst, an diesen Ruinenboden angenagelt, unter dem letzten Krachen des Domes von St. Peter verschwinden würde. Und dieser wird zusammenbrechen, wie der Tempel des Jupiter Capitolinus zusammengebrochen war. Was den heutigen Papst anbetraf, so flammte, mochte er auch kein Königreich mehr haben, mochte er auch die kränkliche Gebrechlichkeit seines hohen Alters, die blutlose Blässe eines sehr alten, wächsernen Götzenbildes besitzen, nichtsdestoweniger die brennende Leidenschaft nach der Weltherrschaft in ihm, war er nichtsdestoweniger der starrsinnige Sohn des Ahnen, der Pontifex Maximus, der Cäsar Imperator, in dessen Adern das Blut des Augustus, des Herrn der Welt floß.
»Sie haben den innigen Wunsch nach Einheit, der uns immer erfüllt hat, sehr richtig erkannt,« fuhr Leo XIII. fort. »An dem Tage, an dem wir den Ritus vereinigten, indem wir der ganzen katholischen Welt den römischen Ritus auferlegten, waren wir sehr glücklich. Das ist einer unserer liebsten Siege, denn er vermag viel für unsere Autorität. Ich hoffe auch, daß unsere Bemühungen im Orient uns zuletzt unsere lieben verirrten Brüder aus den Dissidentengemeinden zurückführen werden, ebensowenig wie ich nicht daran verzweifle, die anglikanischen Sekten zu überzeugen – abgesehen von den protestantischen Sekten, die in den
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