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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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kurzen Nuntiatur in Brüssel gesehen hatte. Dann kam sein Episkopat in Perugia, wo er sich nur in das Leben des jungen, entstehenden Italiens gemischt hatte, und nun war er seit achtzehn Jahren in seinem Vatikan eingeschlossen, von den übrigen Menschen isolirt, verkehrte mit den Völkern nur durch seine Umgebung, die oft höchst unintelligent, lügenhaft und verräterisch war. Außerdem war er ein italienischer Priester, ein Papst, abergläubisch und despotisch, von der Ueberlieferung gefesselt, den Einflüssen der Rasse und Umgebung, dem Geldbedürfnis, den politischen Notwendigkeiten unterworfen – ganz abgesehen von seinem ungeheuren Stolz, von der Gewißheit, daß er der Gott sei, dem man gehorchen muß, die einzige gesetzliche und vernünftige Macht auf Erden. Daher rühren die Ursachen der verhängnisvollen Mißgestaltung dieses außerordentlichen Kopfes, der er mit seinen Fehlern, seinen Mängeln mitten unter so vielen bewundernswerten Eigenschaften sein mußte; denn er besaß ein rasches Verständnis, einen geduldigen Willen, die unermeßliche Kraft, die verallgemeinert und handelt. Insbesondere aber die Intuition schien wunderbar zu sein; war sie es denn nicht, sie allein, die ihn in seinem freiwilligen Gefängnis aus der Ferne die ungeheure Entwicklung der heutigen Menschheit erraten ließ? So hatte er das deutliche Bewußtsein der furchtbaren Gefahr, in der er sich befand; er sah die steigende Flut der Demokratie, den grenzenlosen Ozean der Wissenschaft, der die schmale Insel, auf der der Dom von St. Peter noch triumphirt, zu überschwemmen droht. Er brauchte sich nicht einmal ans Fenster zu stellen; die Stimmen von außen drangen durch die Mauer und trugen ihm den Schrei der Geburt neuer Gesellschaften zu. Davon ging seine ganze Politik aus; er hatte nie einen andern Bedarf gehabt, als zu siegen, um zu herrschen. Wenn er die Einheit der Kirche wollte, so kam das daher, weil er sie für den Angriff, den er voraussah, stark und unbezwinglich machen wollte. Wenn er Versöhnung predigte, in Formsachen nach Kräften nachgab, die Kühnheit der amerikanischen Bischöfe duldete, so kam das von seiner großen, uneingestandenen Furcht vor einer Auflösung der Kirche selbst, vor irgend einem plötzlichen Schisma, das das Unheil beschleunigen würde. Ach, dieses Schisma! Er mußte es wie eine nahe Drohung, eine unvermeidliche Todesgefahr, gegen die man sich im voraus wappnen muß, in der Luft spüren, die von den vier Punkten des Horizonts kam. Wie gut erklärte diese Furcht seine zärtliche Rückkehr zum Volke, seine Beschäftigung mit dem Sozialismus, die christliche Lösung, die er dem Elend hienieden bot! Cäsar war zu Boden geworfen; war da nicht der lange Streit, wer von ihnen beiden, er oder der Papst das Volk haben sollte, durch die Thatsache beigelegt, daß der Papst allein aufrecht blieb und das Volk, der große Stumme endlich im Begriff war, den Mund aufzuthun und sich ihm hinzugeben? Der Versuch war in Frankreich gemacht worden; er ließ dort die besiegte Monarchie im Stiche, anerkannte die Republik und wollte sie stark und siegreich sehen; denn Frankreich war immer die älteste Tochter der Kirche, die einzige katholische Nation, die noch mächtig genug war, um eines Tages vielleicht die weltliche Herrschaft des heiligen Stuhles wieder herzustellen. Herrschen, herrschen! Also durch Frankreich herrschen, da es unmöglich zu sein schien, durch Deutschland zu herrschen! Durch das Volk herrschen, da das Volk der Herr der Throne war und sie austeilte! Durch die italienische Republik herrschen, wenn nur diese Republik ihm das dem Hause Savoyen entrissene Rom wiedergeben konnte – durch eine föderative Republik, die den Papst zum Präsidenten der Vereinigten Staaten Italiens machen würde, bis er der der Vereinigten Staaten Europas ward! Herrschen um jeden Preis, herrschen trotz allem – die Welt beherrschen, wie Augustus sie beherrscht hatte, dessen gieriges Blut das einzige war, was diesen erlöschenden, auf seine Herrschaft erpichten Greis aufrecht hielt!
    »Und Ihr Verbrechen, mein Sohn,« fuhr Leo XIII. fort, »besteht endlich darin, daß Sie es gewagt haben, eine neue Religion zu verlangen. Das ist gottlos, blasphemisch, ein Sakrileg. Es gibt nur eine Religion – unsere heilige, römisch-katholisch-apostolische. Außerhalb ihr kann es nur Nacht und Verdammnis geben ... Ich verstehe wohl, daß Sie vorgeben, eine Rückkehr zum Christentum herbeiführen zu wollen. Aber die so sündhafte, so

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