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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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furchtbare Ironie! Dieses Buch, das nie zurückzuziehen er geschworen, für dessen Sieg er so leidenschaftlich gekämpft hatte – nun verleugnete, nun unterdrückte er es mit einemmale selbst, nicht weil er es für strafbar hielt, sondern weil er eben eingesehen, daß es nutzlos, chimärisch war, wie der Wunsch eines Liebenden, ein Dichtertraum. Ach ja, wozu bei der Illusion eines unmöglichen Erwachens beharren, da er sich getäuscht, da er geträumt hatte, da er hier weder den Gott noch den Priester gefunden, den er zum Glück der Menschen ersehnte! Da war es besser, wenn er sein Buch gleich einem toten Blatt zu Boden warf, besser, wenn er es verleugnete, wie ein abgestorbenes, fortan nutzlos und sinnloses Glied von sich abschnitt!
    Leo XIII. stieß, über einen so raschen Sieg etwas überrascht, einen leichten Ausruf der Befriedigung aus.
    »Das ist sehr schön, sehr schön, mein Sohn! Sie haben da die einzigen weisen Worte gesprochen, die Ihrem Stande als Priester geziemen!«
    Und er, der nie etwas dem Zufall überließ, der jede seiner Audienzen bis auf die Worte, die er sagen, bis auf die Gesten, die er machen würde, vorbereitete, wurde in seiner sichtlichen Befriedigung etwas milder und legte eine wirkliche Gutmütigkeit an den Tag. Da er die wahren Beweggründe dieser Unterwerfung, dieser Empörung nicht verstand, sich über sie täuschte, so genoß er die stolze Freude, ihn so leicht zum Schweigen gebracht zu haben; denn seine Umgebung hatte ihm von ihm das Bild eines schrecklichen Revolutionärs entworfen. Eine solche Bekehrung schmeichelte ihm daher sehr.
    »Uebrigens, mein Sohn, habe ich von Ihrem hervorragenden Geiste nichts anderes erwartet. Es gibt keinen höheren Genuß als seinen Fehler zu erkennen, Buße zu thun und sich zu unterwerfen.«
    Er hatte mit einer vertraulichen Geberde wieder nach seinem Glase Sirup auf dem Tischchen gegriffen und rührte es, ehe er den letzten Schluck trank, mit dem langen, vergoldeten Silberlöffel noch einmal um. Pierre fiel es besonders auf, daß er wieder wie zu Anfang so zusammengefallen aussah und von seiner hehren Majestät herabgesunken zu sein schien; er glich einem sehr alten Kleinbürger, der einsam sein Glas Zuckerwasser trank, ehe er sich zu Bette legte. Die Gestalt war, nachdem sie wie ein am Zenith aufsteigender Stern zugenommen und gestrahlt hatte, wieder am Horizont, knapp am Boden, in ihre menschliche Mittelmäßigkeit untergesunken. Mit seinem dünnen Halse, der dem eines kleinen, kranken Vogels glich, mit seiner greisenhaften Häßlichkeit, erschien er ihm wieder kränklich, gebrechlich. Diese Häßlichkeit erschwerte die Herstellung seiner Porträts, ob nun auf Gemälden oder Photographien, goldenen Medaillen oder Marmorbüsten; denn er sagte, daß man nicht den Papa Pecci, sondern Leo XIII., den großen Papst abkonterfeien müsse, von dem er der Nachwelt ein so hohes Bild zurücklassen wollte. Und Pierre wurde von neuem von dem auf den Knieen des Papstes liegen gebliebenen Schnupftuch, von der unsauberen, mit Tabak befleckten Sutane gestört, die er einen Augenblick nicht mehr gesehen hatte. Er empfand nichts mehr als ein gerührtes Mitleid mit einem so hohen, reinen und weißen Alter, nichts als eine tiefe Bewunderung für die hartnäckige Lebenskraft, die sich in die schwarzen Augen zurückgezogen hatte, nichts als die ehrerbietige Hochachtung des Arbeiters vor dem großen, von so zahllosen Gedanken und Handlungen überströmenden Gehirn mit seinen unermeßlichen Plänen.
    Die Audienz war zu Ende; er verneigte sich tief. »Ich danke für den väterlichen Empfang, den Eure Heiligkeit mir zu teil werden lassen geruhten.«
    Aber Leo XIII. geruhte ihn noch eine Minute zurückzuhalten, indem er wieder von Frankreich sprach und den lebhaften Wunsch ausdrückte, es zum größten Wohl der Kirche glücklich, ruhig und stark zu sehen. Und während dieser letzten Minute hatte Pierre eine seltsame Vision. Es war ein wahrer Spuk. Während er die elfenbeinerne Stirn des heiligen Vaters betrachtete, während er an sein hohes Alter dachte, bei dem ihn der geringste Schnupfen wegraffen konnte, fiel ihm, durch eine unwillkürliche Ideenverbindung die wild-große, übliche Scene ein: Pius IX., Giovanni Mastai, vor zwei Stunden verschieden, das Gesicht mit einem weißen Linnen bedeckt, von der verstörten päpstlichen Hausgenossenschaft umgeben; Kardinal Pecci, der Kardinalkämmerer, nähert sich dem Totenbette, läßt die Hülle entfernen und schlägt dreimal mit

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