Rom - Band III
seinem silbernen Hammer auf die Stirn des Leichnams, jedesmal den Ruf ausstoßend: Giovanni, Giovanni, Giovanni! Und da der Leichnam nicht geantwortet hat, dreht sich der Kardinal, nachdem er sich einige Sekunden geduldet, um und spricht: »Der Papst ist tot!« Zu gleicher Zeit erblickte Pierre da unten in der Via Giulia den Kardinal Boccanera, den Kardinalkämmerer, der mit seinem silbernen Hammer wartete, und sah vor sich Leo XIII., Joachim Pecci, wie er, seit zwei Stunden verschieden, das Gesicht von einem weißen Linnen bedeckt, von seinen Prälaten umgeben, in diesem selben Zimmer lag. Und er sah wie der Kardinalkämmerer sich näherte, die Hülle entfernen ließ, und dreimal auf die elfenbeinerne Stirn schlug, indem er jedesmal den Ruf ausstieß: Joachim, Joachim, Joachim! Dann, da der Leichnam nicht geantwortet hatte, drehte er sich, nachdem er sich einige Sekunden geduldet, um und sprach: »Der Papst ist tot!« Erinnerte sich Leo XIII. an die drei Schläge, die er Pius IX. auf die Stirn gegeben – fühlte er manchmal auf seiner Stirn die eisige Furcht vor den drei Schlägen, die tödliche Kälte des Hammers, mit dem er den Kardinalkämmerer, den unversöhnlichen Gegner, den er, wie er wußte, in Kardinal Boccanera besaß, bewaffnet hatte?
»Gehen Sie in Frieden, mein Sohn,« sprach endlich Seine Heiligkeit wie zu einem letzten Segensspruch. »Ihr Fehler wird Ihnen erlassen werden, da Sie ihn gebeichtet haben und Abscheu darüber bezeigen.«
Ohne zu antworten, entfernte sich Pierre, dem üblichen Zeremoniell gemäß, rückwärts schreitend. Seine Seele war geängstigt; er nahm die Demütigung als die verdiente Strafe seiner Chimäre hin. Dreimal verneigte er sich tief; dann schritt er aus der Thür, ohne sich umzudrehen, gefolgt von den schwarzen Augen Leos XIII., die nicht von ihm wichen. Trotzdem sah er noch, wie er wieder nach der Zeitung griff, deren Lektüre er unterbrochen hatte, um ihn zu empfangen. Er hatte die Neigung zur Presse, eine lebhafte Neugierde nach Neuigkeiten bewahrt, obwohl er sich in seiner Isolirung oft über die Bedeutung der Artikel täuschte und gewissen derselben in einigen Punkten eine Wichtigkeit beimaß, die sie nicht besaßen. Die beiden Lampen brannten mit ruhigem, unbeweglichem Licht; das Zimmer versank wieder in seine große Stille und seinen unendlichen Frieden.
In der Mitte des geheimen Vorsaales stand Herr Squadra, schwarz und unbeweglich; er wartete. Als er bemerkte, daß Pierre in seiner erschreckten Betäubung, seinen Hut vergessend, an dem Pfeilertisch vorüberging, auf dem er ihn hatte liegen lassen, ergriff er vorsichtig diesen Hut und reichte ihn ihm mit einer stummen Verbeugung. Dann begann er wieder ohne jede Eile, mit demselben Schritt wie beim Kommen, ihm voraus zu gehen, um ihn in den Clementinensaal zurückzuführen.
Nun fand, in entgegengesetzter Richtung, derselbe ungeheure Spaziergang, das endlose Wandern durch endlose Säle statt. Noch immer keine Seele zu sehen, kein Geräusch, kein Hauch zu hören. In jedem der leeren Gemächer blakte die einzige, einsame, gleichsam vergessene Lampe und brannte noch schwächer in der noch größeren Stille. Die Einöde schien sich erweitert zu haben, je mehr die Nacht vorrückte, und die unter den hohen, vergoldeten Decken zerstreuten spärlichen Möbel, die Throne, Holzschemel, Pfeilertische, Kruzifixe und Armleuchter, die sich in jedem Saale wiederholten, in Finsternis tauchte. So kam nach dem Ehrenvorsaal, dessen Damast rot glühte, der Saal der Nobelgarde; er schlummerte in einem leichten Weihrauchduft, den eine am Morgen abgehaltene Messe zurückgelassen hatte. Dann kam der Tapetensaal, der Saal der palatinischen Garde, der Saal der Gendarmen; in dem darauf folgenden Saal der Bussolanti war der letzte der dienstthuenden Bedienten, auf dem Bänkchen sitzend, so fest eingeschlafen, daß er gar nicht erwachte. Die Schritte hallten schwach auf den Fliesen; das trübe Licht dieses geschlossenen, von allen Seiten wie ein Grab eingemauerten, in dieser späten Stunde von einem alles überschwemmenden Nichts überkommenen Palastes, erstickte sie. Endlich kam der Clementinensaal, den der Wachposten der Schweizer Garde eben verlassen hatte.
Bis zu diesem Saale hatte Herr Squadra nicht den Kopf gewandt. Noch immer stumm trat er, ohne eine Geberde, beiseite und ließ Pierre vorüber, indem er sich ein letztesmal verbeugte. Dann verschwand er.
Und Pierre stieg die beiden Stockwerke der monumentalen Treppe hinab, welche die
Weitere Kostenlose Bücher