Rom - Band III
befand sich nur Giacomo in schwarzer Livree; er stand unbeweglich vor dem unter dem Baldachin befestigten alten roten Hut mit seinen halbzerfressenen Tressen, zwischen denen die Spinnen ihr Netz spannen. Im zweiten, dem, wo einst der Sekretär sich aufhielt, erwartete der Abbé Paparelli, der Schleppträger, der auch das Amt eines Kammerherrn ausfüllte, die Besucher; er ging mit kleinen, leisen Schritten auf und ab, und noch nie hatte er, mit seiner erobernden Demut, seiner verdächtigen Miene, in der sich willfährige Allmacht aussprach, mehr einer sehr alten, von allzu strengen religiösen Uebungen fahlen und verrunzelten Jungfer geglichen. Im dritten Vorzimmer endlich, dem Ehrenvorsaal, wo das auf einer Kredenz liegende Barett sich dem großen, mächtigen Porträt des Kardinals im Zeremonienkostüm gegenüber befand, stand der Sekretär, Don Vigilio, der seinen kleinen Arbeitstisch verlassen hatte, bei der Thür des Thronsaales und begrüßte die Personen, die dessen Schwelle übertraten, mit einer Verbeugung. An diesem düstern Wintermorgen sahen diese Säle noch finsterer und zerrütteter aus; die Tapeten hingen in Fetzen, die spärlichen Möbel waren von Staub geschwärzt, die alten Schnitzereien zerfielen unter der fortgesetzten Arbeit der Würmer, und nur die Decken bewahrten den Prunk ihrer triumphirenden Vergoldungen und Malereien.
Aber Pierre, den der Abbé Paparelli eben mit einer übertrieben tiefen Verbeugung begrüßt hatte – man merkte aus ihr eine Art ironischen Abschied, wie man ihn einem Besiegten erteilt – ward insbesondere von der traurigen Großartigkeit dieser drei unermeßlichen, zerstörten Säle gepackt, die an diesem Tage in den zu einem Totengemach verwandelten Thronsaal führten, wo die zwei letzten Kinder des Hauses schliefen. Was für ein prächtiger und trostloser Totenprunk! Alle diese weit offenen Thüren, diese Leere der übergroßen Gemächer, die einst mit solchen Menschenmengen bevölkert waren und nun zur höchsten Trauer des Endes eines Geschlechtes führten! Der Kardinal hatte sich in seinem kleinen Arbeitszimmer eingeschlossen, wo er die Familienmitglieder, die intimen Freunde empfing, die darauf bestanden, ihm ihr Beileid zu bezeugen; Donna Serafina hatte ihrerseits ein Nebenzimmer gewählt, um die befreundeten Damen zu erwarten, deren Defilé bis zum Abend währen sollte. Pierre, den Victorine von diesem Zeremoniell unterrichtet hatte, mußte sich entschließen, unmittelbar in den Thronsaal zu treten, wo ihn abermals ein sich tief verbeugender Priester empfing; diesmal war es Don Vigilio, der, blaß und stumm, ihn nicht einmal zu erkennen schien.
Den Priester erwartete eine Ueberraschung. Er hatte sich eine vollständig verdunkelte Trauerkapelle vorgestellt, wo hunderte von Kerzen rings um einen in der Mitte des mit schwarzen Behängen ausgeschlagenen Saales stehenden Katafalk brennen würden. Man hatte ihm gesagt, daß die Aufbahrung hier stattfinde, weil die alte, im Erdgeschoß gelegene Kapelle des Palastes seit fünfzig Jahren geschlossen und außer Gebrauch war, und weil die kleine Privatkapelle des Kardinals sich für eine solche Zeremonie zu klein erweisen würde. Man hatte daher im Thronsaal einen Altar errichten müssen, wo seit dem Morgen eine Messe auf die andere folgte. Außerdem mußten auch in der Privatkapelle den ganzen Tag über Messen gelesen werden; desgleichen hatte man zwei andere Altäre errichtet, einen in einem kleinen, neben dem Ehrenvorsaal gelegenen Gemach, den andern in einer Art Alkoven, in den das zweite Vorzimmer auslief. So kam es, daß Priester, besonders Franziskaner, Mönche, die den armen Orden angehörten, ununterbrochen und gemeinschaftlich die Meßopfer auf diesen vier Altären celebrirten. Der Kardinal hatte gewünscht, daß das göttliche Blut keinen Augenblick aufhöre, in seinem Hause zu fließen, damit die beiden teuren, zusammen entflohenen Seelen erlöst würden. In dem trauernden Palaste, in den Trauersälen klingelten ohne Unterlaß die Glöckchen bei der Aufhebung; das schauernde Gemurmel der lateinischen Worte verstummte nicht, und unaufhörlich wurden Hostien gebrochen und Kelche geleert, so daß Gott sich keine einzige Minute aus dieser schweren, nach Tod riechenden Luft entfernen konnte.
Und Pierre fand zu seinem Erstaunen den Thronsaal gerade so wieder, wie er ihn am Tage seines ersten Besuches gesehen hatte. Nicht einmal die Vorhänge der vier großen Fenster waren zugezogen worden; das schwache, graue, kalte
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