Rom - Band III
Heiligkeit?«
Erstaunt sah Pierre ihn an.
»O, ich habe es Ihnen ja schon gesagt, man erfährt alles. Was haben Sie gethan? Ganz einfach Ihr Buch zurückgezogen, nicht wahr?«
Das wachsende Erstaunen des Priesters sagte ihm alles, ohne daß er ihm sogar Zeit zu einer Antwort gelassen hatte.
»Ich dachte es mir, aber ich wollte Gewißheit darüber haben. Ach, das alles ist ihr Werk! Glauben Sie mir jetzt, sind Sie überzeugt, daß sie die ersticken, die sie nicht vergiften?«
Er mußte wohl von den Jesuiten sprechen. Vorsichtig streckte er den Hals aus und überzeugte sich, daß der Abbé Pavarelli noch nicht zurück sei.
»Und was hat Ihnen Monsignore Nani vorhin gesagt?«
»Verzeihung,« antwortete Pierre endlich, »ich habe Monsignore Nani noch nicht gesehen.«
»O, ich glaubte... Er ist vor Ihnen durch diesen Saal gegangen. Wenn Sie ihn im Vorsaal nicht sahen, so wird er sich wohl zu Donna Serafina und Seiner Eminenz begeben haben, um sie zu begrüßen. Er wird sicherlich wieder vorbeikommen; Sie werden ihn sehen.«
Dann setzte er mit der Bitterkeit des stets eingeschüchterten und besiegten Schwachen hinzu:
»Ich habe es Ihnen ja vorausgesagt, daß Sie zuletzt das thun würden, was er will.«
Aber er glaubte das leise Getrippel des Abbé Paparelli zu hören, kehrte rasch auf seinen Platz zurück und begrüßte zwei alte, eben eintretende Damen mit seiner Verbeugung. Pierre aber, der niedergedrückt, mit halbgeschlossenen Augen sitzen geblieben war, sah endlich die Gestalt Nanis in ihrer Wirklichkeit, ihrer höchsten Intelligenz und Diplomatie. Er erinnerte sich, was Don Vigilio ihm in jener famosen Enthüllungsnacht von jenem Manne erzählt hatte. Der Prälat war viel zu gewandt, um sich mit einem mißliebigen Kleide zu kennzeichnen; im übrigen war er bezaubernd, kannte die Welt durch seine Thätigkeit in den Nuntiaturen und im S. Offizio ans dem Grunde, nahm an allem teil, war in allem beschlagen, kurz, einer der Köpfe, eines der Gehirne der modernen schwarzen Armee, die mit ihrem Opportunismus das Jahrhundert zur Kirche zurückzuführen gedenkt. Plötzlich ward es vollständig Tag in ihm: er begriff, durch welche schmiegsame, bewunderungswürdige Taktik dieser Mann ihn zu dem Akt, den er von seinem scheinbar freien Willen erlangen wollte, zu dem rückhaltslosen Zurückziehen seines Buches geführt hatte. Zuerst hatte ihn bei der Nachricht von der Verfolgung des Buches ein lebhafter Aerger, die plötzliche Unruhe ergriffen, daß der exaltirte Verfasser zu irgend einer unangenehmen Empörung getrieben werden könne; sofort war sein Plan gefaßt, wurden Erkundigungen über diesen jungen, des Schisma fähigen Priester eingezogen, seine Reise nach Rom bewirkt und ihm die Einladung übermittelt, in einem alten Paläste abzusteigen, dessen bloße Mauern ihn erstarren und belehren sollten. Dann kamen von da an die unaufhörlich neu entstehenden Hindernisse; sein Aufenthalt wurde verlängert, indem man ihn hinderte, den Papst zu sprechen, indem man versprach, ihm die heißersehnte Audienz zu verschaffen, sobald die Stunde gekommen sei, nachdem man ihn alles anstoßen hatte lassen, nachdem man ihn überall herumgeführt hatte – von Monsignore Fornaro zum Pater Dangelis, vom Kardinal Sarno zum Kardinal Sanguinetti. Dann kam endlich, als die Dinge und Menschen ihn wankend, matt gemacht, mit Ekel erfüllt, dem Zweifel wieder ausgeliefert hatten, die Audienz, auf die man ihn seit drei Monaten vorbereitete, dieser Besuch beim Papst, der seinen Traum vollends in ihm töten sollte. Jetzt sah er Nani wieder vor sich, mit seinem feinen Lächeln, den hellen Augen eines klugen Staatsmannes, den ein Experiment belustigte; er hörte ihn wieder mit seiner leicht spöttischen Stimme wiederholen, daß es eine wahre Gnade der Vorsehung sei, wenn diese Verzögerungen ihm gestatteten, Rom zu besichtigen, nachzudenken, zu verstehen. Das sei ein ganzer Unterricht, eine ganze Erziehung, die ihm manche Fehler ersparen würde. Und er, der mit seiner Apostelbegeisterung angekommen war – der gebrannt hatte, zu kämpfen, der geschworen, niemals sein Buch zurückzuziehen! War es nicht die heikelste, die höchste Diplomatie, derart sein Gefühl an seiner Vernunft zerschellt zu haben, indem man sich an seine Intelligenz wendete, damit sie ohne ärgernisgebenden Kampf das unnütze, falsche Buch unterdrücke – etwas, was sich von selbst ergeben mußte, sobald sie angesichts des wirklichen Rom einsah, wie ungeheuer lächerlich es
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