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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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eingetreten, wenn man dem lieben Kinde gleich ihren Dario gegeben hätte. Aber in dieser blöden Stadt sind sie alle toll mit ihrer Politik; der dort, der doch ein so braver Mann ist, glaubte ein wahres Wunder gethan und die Welt gerettet zu haben, indem er Papst und König vermählte, wie er mit dem sanften Lachen eines alten Gelehrten sagte, der nie etwas anderes als die alten Steine geliebt hat: Sie wissen ja, ihren alten Plunder, ihre patriotischen Ideen von vor hunderttausend Jahren. Und Sie sehen, heute weint er, was er weinen kann ... Der andere war auch da – es sind noch keine zwanzig Minuten her – der Pater Lorenzo, der Jesuit, der nach dem Abbé Pisoni der Beichtvater der Contessina war und das, was dieser machte, wieder rückgängig gemacht hat. Ja, ein schöner Mann, auch einer, der das Verpfuschen versteht, der das Glücklichsein hindert. Was für tückische Verwicklungen er in die Scheidungsgeschichte brachte! ... Es wäre mir lieb gewesen, wenn Sie dagewesen wären, um zu sehen, wie er erst niederkniete und dann ein großes Kreuzeszeichen machte. Er hat nicht geweint, o, der nicht! Er schien zu sagen, wenn die Sache so übel ausgegangen sei, so komme das daher, weil Gott sich zuletzt ganz davon zurückgezogen hätte. Um so schlimmer für die Toten!«
    Sie sprach leise, unaufhaltsam, als erleichtere es sie, sich nach den schrecklichen Stunden der Verwirrung und Beklemmung, die sie seit gestern durchlebte, das Herz ausschütten zu können.
    »Und die dort,« fuhr sie leiser fort. »Erkennen Sie sie nicht?«
    Sie wies mit dem Blick auf das ärmlich gekleidete junge Mädchen, das er für eine Dienerin gehalten, das der Kummer, ein furchtbarer Schmerz auf die Fliesen vor dem Bette niedergeschmettert hatte. Sie hatte sich eben mit einer Bewegung rasenden Leidens aufgerichtet und den Kopf zurückgeworfen – einen Kopf von außerordentlicher Schönheit, von dem wunderbarsten schwarzen Haar überflutet.
    »Die Pierina!« sagte er. »Die Arme!«
    Victorine machte eine mitleidige, duldsame Geberde.
    »Was sollte ich thun? Ich habe ihr erlaubt, heraufzukommen. Ich weiß nicht, wieso sie das Unglück hat erfahren können. Freilich streicht sie immerzu um den Palast. Sie ließ mich also herunterrufen ... wenn Sie gehört hätten, wie sie mich anflehte, wie sie mich mit lautem Schluchzen um die Gnade bat, sich ihren Fürsten noch einmal ansehen zu dürfen! ... Mein Gott, da auf Erden schadet es niemand, wenn sie alle beide mit ihren schönen, verliebten Augen voll Thränen ansieht. Sie ist seit einer halben Stunde da; ich habe mir vorgenommen, sie hinauszuschaffen, wenn sie sich nicht gut aufführt. Aber da sie vernünftig ist und sich nicht einmal rührt – mag sie bleiben und sich das Herz fürs ganze Leben anfüllen!«
    Und wahrlich, diese Pierina, diese Tochter der Unwissenheit, der Leidenschaft und Schönheit, war ein erhabener Anblick, wie sie so zerschmettert, vernichtet zu Füßen des Brautbettes lag, auf dem die beiden umschlungenen Liebenden im Tode ihre erste und ewige Nacht zubrachten. Sie hatte sich auf die Hacken niedergelassen, ließ ihre zu schweren Arme mit ausgespreizten Händen herabhängen und verwandte, das Gesicht emporgerichtet, unbeweglich, wie in der Verzückung der Agonie erstarrt, keinen Blick von dem herrlichen, tragischen Paare. Nie noch hatte ein Menschenantlitz so schön ausgesehen, so in der Pracht des Schmerzes und der Liebe geleuchtet. Mit ihrer königlichen Stirn, ihren stolz anmutigen Wangen, ihrem göttlich vollkommenen Munde glich sie dem antiken Schmerz; aber sie war voll zuckenden Lebens. Woran dachte sie, was litt sie, während sie starr ihren Fürsten betrachtete, der nun für ewig im Arm ihrer Nebenbuhlerin lag? Erstarrte eine Eifersucht, für die kein Ende möglich war, das Blut in ihren Adern? Oder war es eher der bloße Schmerz, ihn verloren zu haben, sich sagen zu müssen, daß sie ihn zum letztenmal sehe – ohne Haß gegen dies andere Weib, das ihn vergeblich mit ihrem eigenen Leibe zu erwärmen versuchte, der ebenso kalt war wie der seine? Ihre verschleierten Augen blieben dennoch sanft, ihre bitter verzogenen Lippen bewahrten ihren zärtlichen Ausdruck. Sie kamen ihr so rein, so schön vor, wie sie da zwischen dieser Blumenfülle ruhten! Und sie, in ihrer eigenen Schönheit, ihrer königlichen, unbewußten Schönheit lag atemlos da – wie eine geringe Magd, wie eine liebende Sklavin, der ihre Herren im Sterben das Herz ausgerissen und mitgenommen haben.
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