Rom - Band III
der Tiara zu entfernen. Uebrigens schien es außer Zweifel zu sein, daß der intransigente, gar nicht diplomatische Kardinal nicht der Kandidat des so geschmeidigen, eine allgemeine Einigung herbeisehnenden Nani sein konnte; so konnte die lange Arbeit des letzteren in diesem Hause, trotzdem sie der lieben Contessina zu ihrem Glücke verhalf, nichts anderes gewesen sein als die langsame, ununterbrochene Zerstörung des brennenden Strebens der Geschwister, der Kirche den dritten triumphirenden Papst aus ihrer alten Familie zu geben. Aber wenn er das auch immer gewollt, wenn er sich sogar einen Augenblick für den Kardinal Sanguinetti gestritten und seine Hoffnung auf ihn gesetzt hatte, so war es ihm doch nie eingefallen, daß es bis zu einem Verbrechen, bis zu dem albernen Greuel von einem an die falsche Adresse gelangenden und Unschuldige treffenden Gift kommen würde. Nein, nein, das war, wie er sagte, zu viel; dagegen empörte sich die Seele. Er bediente sich sanfterer Waffen; eine solche Roheit stieß ihn ab, erzürnte ihn. Auf seinem so rosigen, so gepflegten Gesicht lag noch der Ernst der Empörung, die ihn angesichts des weinenden Kardinals und dieser zwei traurigen, an seiner Stelle vernichteten Liebenden erfaßt hatte.
Pierre, in der Meinung, daß der Kardinal Sanguinetti noch immer der geheime Kandidat des Prälaten sei, ward trotzdem von dem Verlangen gequält, zu erfahren, bis wohin die moralische Mitschuld des letzteren an diesem verruchten Geschehnis gehe. Er setzte das Gespräch fort.
»Man sagt, daß Seine Heiligkeit auf Seine Eminenz den Kardinal Sanguinetti böse ist. Es ist natürlich, daß der regierende Papst den zukünftigen Papst nicht sehr gerne sieht.«
Monsignore Nani ließ sich einen Augenblick in aller Offenheit gehen.
»O, der Kardinal hat sich bereits drei- oder viermal mit dem Vatikan verzürnt und wieder ausgesöhnt! Auf jeden Fall braucht der heilige Vater keine posthume Eifersucht zu zeigen; er weiß, daß er Seine Eminenz sehr gut aufnehmen darf.«
Dann bereute er es, sich so bestimmt ausgedrückt zuhaben und verbesserte sich:
»Ich scherze. Seine Eminenz ist des hohen Lohns, der ihn vielleicht erwartet, vollständig würdig.«
Aber Pierre war orientirt: der Kardinal Sanguinetti war sicherlich nicht mehr der Kandidat Monsignore Nanis. Zweifellos war er der Meinung, daß er von seinem ungeduldigen Ehrgeiz zu geschwächt und durch die zweideutigen Verbindungen, die er in seinem Fieber mit aller Welt, sogar mit dem jungen, patriotischen Italien geschlossen, auch zu gefährlich geworden sei. Die Situation klärte sich: der Kardinal Sanguinetti und der Kardinal Boccanera würden einander verschlingen, gegenseitig unterdrücken – der eine mit seinen unaufhörlichen Ränken, vor keinem Kompromiß zurückschreckend, erfüllt von dem Traum, Rom durch die Wahlen zurückzuerobern – der andere, unbeweglich und hochaufgerichtet in seiner Intransigenz, das Jahrhundert in den Bann thuend, das Wunder, das die Kirche retten sollte, von Gott allein erwartend. Warum sollte man die beiden, so einander gegenüber gestellten Theorien sich nicht mit allem Extremen und Beunruhigendem, was sie besaßen, zerstören lassen? Wenn Bocccanera auch dem Gift entgangen war, so hatte ihn das tragische Ereignis nichtsdestoweniger getroffen und er war durch die Geschichten, von denen ganz Rom summte, vernichtet, als Kandidat fortan unmöglich; und wenn Sanguinetti sich endlich eines Nebenbuhlers entledigt zu haben glaubte, so hatte er nicht eingesehen, daß er sich selbst traf, daß er zu gleicher Zeit seine eigene Kandidatur vernichtete, indem er ihr durch eine solche in den Mitteln wenig wählerische, für alle bedrohliche Sucht nach Macht schadete. Monsignore Nani war darüber sichtbarlich entzückt: also weder der eine noch der andere; der Platz war frei. Es war die Geschichte von jenen zwei legendenhaften Wölfen, die sich bekämpft und aufgefressen hatten, ohne daß etwas von ihnen übrig blieb – nicht einmal die Schwänze. Auf dem Grunde seiner blassen Augen, seiner ganzen diskreten Persönlichkeit war nichts mehr da als ein furchtbarer Unbekannter, der von der allmächtigen Armee, zu deren geschicktesten Führern er zählte, endgiltig gewählte und beschützte Kandidat. Ein solcher Mann war nie unbeteiligt, hatte stets eine Lösung bereit. Wer also, wer sollte der Papst von morgen sein?
Er hatte sich erhoben und nahm von dem jungen Priester herzlichen Abschied.
»Mein lieber Sohn, ich zweifle, ob
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