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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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des äußerst kostbaren Inhalts. »Ich weiß, dass du genauso vergeblich geliebt hast wie ich. Wir haben beide vergeblich geliebt, Piet, nicht wahr? Wieder und wieder. Warum nur? Weißt du, manchmal denke ich, dass die Liebe ein rätselhaftes Computerprogramm ist, das seinen tödlichen Virus bereits seit seiner Abfassung in sich trägt. Ich liebe meine Frau immer noch, obwohl sie jetzt wahrscheinlich mit einem nach Knoblauch und Zwiebeln stinkenden römischen Uhrenverkäufer im Bett liegt. Das klingt ziemlich rassistisch, findest du nicht?«
    Er winkte dem Kellner und bestellte zwei doppelte Grappa. Einar kippte das Getränk, schnalzte mit der Zunge, fuhr mit dem Finger ins leere Glas und leckte ihn ab. »Ich liebe sie«, fuhr er fort, »weil ich sie verdammt noch mal nicht dieser Ernüchterung opfern will, die offensichtlich Bestandteil jeder Liebesbeziehung ist. Weißt du, was mich am meisten bewegt bei meiner Erinnerung an sie? Ihre Hautunreinheiten, Piet, in der Tat, diese kleinen Pickelchen und Unebenheiten in der Derma. Ja, dazu stehe ich! Liebe ist weder ein rein seelisches noch ein rein körperliches Phänomen. Sondern etwas dazwischen, um nicht zu sagen, ein komplexdermatologisches.»
    Es war deutlich, er wollte unbedingt betrunken werden. »Die Haut ist das Organ, wo sich Seele und Körper treffen, um diese verdammte Angelegenheit, Liebe genannt, auszuhecken wie einen kriminellen Plan«, sagte er.
    »Die Haut ist ein Vorhang, hinter dem der Körper auf den Auftritt der Seele wartet«, sagte ich. Auch ich war dabei betrunken zu werden. Meine Sätze kamen mir vor wie von jemandem gesprochen, den ich nicht leiden konnte, den ich jedoch bewunderte, weil er meinen Vater sehr gut zu imitieren verstand.
    Jetzt war ich es, der einen doppelten Grappa für jeden von uns bestellte. Wir tranken ihn andächtig wie Messwein, in kleinen Schlucken und mit Gefühlen der Reue.
    »Jetzt erzähl endlich von dir. Weswegen bist du hier, Piet. Ich kann mir nicht denken, dass du rein private Gründe hast.«
    »Ja und nein. Meine Mutter ist vor kurzem gestorben.«
    »Die resolute Dame, von der du mir damals erzählt hast?«
    »Resolut ist geschmeichelt. Sie war eine Tyrannin.«
    »Und jetzt bist du frei und darum vor lauter Tatendrang gen Süden gesegelt.«
    »Ja, ein wenig hast du Recht.«
    »Und die anderen Motive?«
    »Schön, dass du immer noch Verhöre magst. Meine Mutter hat mir kurz vor ihrem Ableben gebeichtet, dass mein Vater noch lebt und dass er damals mit einer Italienerin durchgebrannt ist. Ich habe ihn hier in Rom ausfindig gemacht.«
    »Du Ärmster. Meine Eltern leben beide nicht mehr. Manchmal freue ich mich darüber, manchmal leide ich. Es ist eine Freiheit mit langen Kettenkugeln an den Knöcheln. Ich vermute, dass du auch einen beruflichen Grund hast, hier zu sein.«
    »Nur sehr indirekt. Ich habe dir schon erzählt, dass meine Freundin verschwunden ist. Sie heißt Dale Mackay und ist Polizistin in Schottland. Ich habe ihre Spur verfolgt, zuerst bis Bern, dann weiter bis hierher. Sie wollte Italienisch lernen. In Bern hatte sie einen Sprachkurs belegt, bei einem gewissen Marcello Tusa. Aber hat ihn nicht absolviert. Sie ist verschwunden, möglicherweise nach Rom. Wie ich Dale kenne, würde sie die Sprache tatsächlich auch lieber im Land lernen, wo sie gesprochen wird. Dale gehört zu den Frauen, die ziemlich radikalisiert sind, ich meine nicht, im Sinne der Frauenbewegung. Es geht ihr weniger um Gleichberechtigung als um Selbstverwirklichung. Das hat das Zusammensein mit ihr so schön gemacht und so anstrengend.«
    Während ich uferlos weiterredete, Dale beschrieb, als könne ich sie dadurch am Tisch materialisieren, starrte er mich die ganze Zeit an wie ein Wundertier. Plötzlich unterbrach er mich: »Sagtest du vorhin Tusa? Marcello Tusa?«
    »Ja, so heißt der Italienischlehrer. Keine besonders sympathische Figur. Er hat so getan, als habe er mit Dale ein Verhältnis gehabt, was ich aber nicht glauben kann.«
    Er lächelte mir milde zu und reichte mir seine große Hand. »Komm, schlag ein, Piet. Wir haben soeben eine neue Spur. Ein echtes Wunder, ein Fall von Musterbildung. Heißt es nicht so?«
    »Ja, dissipative Musterbildung. Dissipativ im Sinne von Energieverschwendung. Wir verschwenden Zeit und Energie, vernichten Ordnung, indem wir uns betrinken, und plötzlich entsteht daraus ein Muster, eine neue Form von Ordnung.«
    »Genau, Piet. Das ist es, dissipative Musterbildung. Wir lösen den Fall, indem wir

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