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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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aber auch meine Wüste. Ich möchte wie mein Namensvetter lernen, was Askese ist. Ich meine echte Askese, nicht jene, die Laestadius predigte.«
    »Laestadius. Ich erinnere mich. Dieser schwedische Fanatiker, der die Askese als eine Art negative Völlerei anpries.«
    Einar spielte auf jenen Kriminalfall in Lappland an, in dem die Sekte der Laestidianer eine Rolle gespielt hatte. »Es war schön dort oben, Piet. Die unendliche Weite der Finnmarksvidda! Diese Himmel mit ihren Wolkenorgien! Die heißen, vierundzwanzig Stunden währenden Mittsommernächte, die sie dort oben italienische Nächte nennen, wenn die Mücken genauso durchdrehen wie die Menschen. Es ist furchtbar, ich habe immer nach dem Sehnsucht, was hinter mir liegt. Das ist leider auch mit Frauen so.«
    »Erzähl mir mehr vom Grund deines Hierseins, Einar.«
    Augenblicklich setzte er sein Polizistengesicht auf. »Nicht hier, mein Freund«, sagte er und ließ den Blick schweifen, als kontrolliere er die Räumlichkeit auf Lauscher. Wir kippten unseren Grappa, der scheußlich schmeckte. Einar erhob sich und zahlte. Draußen in der blendenden Helle traf uns die Hitze wie der Hieb eines glühenden Säbels. Einar ging voran. Hin und wieder blieb er stehen und wischte sich die dicken Schweißtropfen von der Stirn. Er trug einen grauen Straßenanzug, den Schlipsknoten hatte er gelockert und herabgezogen.
    Wir gingen durch den Stadtteil Trastevere. Schließlich landeten wir im Innenhof einer kleinen Kirche. Ein Brunnen plätscherte in seiner Mitte. Rosen, Unkraut, ein ungepflegter Garten, der eine wunderbare Ruhe ausstrahlte. Niemand war zu sehen. Wir setzten uns auf den Brunnenrand. Einar ließ sich Wasser in die hohlen Hände laufen und trank. Ich tat es ihm nach. »Sancta Cecilia in Trastevere. Sie wurde im 9. Jahrhundert zu Ehren der heiligen Cäcilie errichtet. Es ist für mein Gefühl die schönste Kirche von Rom, gerade weil sie so unscheinbar ist. Ich bin oft hier, wenn ich mir über Dinge Klarheit verschaffen will, bei denen die Logik genauso versagt wie die Psychologie. Komm, du musst dir unbedingt die wunderschöne Plastik der heiligen Cäcilie ansehen. Sie scheint zu leben. Ein Meisterwerk von Maderna. Er schuf sie 1599 im Alter von dreiundzwanzig Jahren. Mein Gott,was muss er verliebt gewesen sein in sein Modell! Ich kenne keine sinnlichere Verkörperung weiblicher Enthaltsamkeit. Hingabe als Verweigerung. Verrückt!«
    Wir betraten den dunklen Kirchenraum, in dem es leicht nach Weihrauch duftete. Es war genauso, wie Einar es beschrieben hatte. Die Liegefigur aus Marmor übertraf noch Michelangelos Pietà an Leben. Das war kein Stein, das war eine Frau aus Fleisch und Blut. Sie schien zu atmen. Ich glaubte zu sehen, dass sich ihre Brust hob und senkte. Einar packte mich am Arm und zog mich in eine der leeren Kirchenbänke. Wir saßen eng nebeneinander. »Eine schreckliche Geschichte. Man hat das arme Kind auf grausame Weise misshandelt. Vielleicht ist das der Grund, warum diese kleine Kirche mehr Frömmigkeit birgt als der ganze Petersdom. Sie wollte heiraten und trotzdem ihre Unbeflecktheit bewahren, angeblich hatte ihr dies ein Engel befohlen. Ihr Mann soll einverstanden gewesen sein, mit ihr eine Josephsehe zu führen, wenn er den Engel zu sehen bekäme. Cäcilia versprach ihm, er würde ihn sehen, wenn er sich taufen ließe. So geschah es. Es war die Zeit der Christenverfolgung. Zuerst wurde ihr Mann verbrannt, dann sollte auch seine Frau dies Los treffen. Es misslang, die Flammen verschmähten sie. Man warf sie in kochend heißes Wasser. Auch dies ohne die gewünschte Wirkung. Schließlich köpfte man sie. Als man im 9. Jahrhundert in irgendwelchen Katakomben ihre Überreste fand – ein Skelett ohne Kopf! –, ließ sie der damalige Papst nach Rom überführen und diese Kirche für sie bauen. – Aber du wolltest wissen, warum ich in Rom bin. Hier belauscht uns niemand. Also pass auf. Sagt dir das Wort HUBRO etwas?«
    Ich verneinte.
    »Mir und meinen Leuten hat es zunächst auch nichts gesagt. Die Sache beginnt in Helsinki. Eine schöne Stadt, sehr weiß, ein bisschen italienisch. Es gibt da eine seltsame Straße, die im 15. Jahrhundert beginnt und bis ins 21. führt. Es ist eine Art Straßenmuseum. Alle paar Meter wechselt der Fassadenstil, die Beleuchtung, Tranfunseln, Gaslaternen, bis hin zum Neonlicht. In dieser Straße passierte vor einigen Wochen ein Mord. Eine junge Frau wurde erstochen. Im 16. Jahrhundert. Dort, wo die Straße besonders

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