Rom kann sehr heiss sein
machen. Wir werden uns hin und wieder treffen. Ich nehme mir deinen Tusa vor. Kümmere du dich um HUBRO. Aber vorher gehen wir noch in eine andere Bar.«
Irgendwann verschwand Einar in der Morgendämmerung. Die ersten Putzkolonnen waren bereits unterwegs. An der Piazza di Pasquino sah ich Ninas Nachfolgerin. Sie schenkte mir einen langen Blick, als ich an ihr vorbeiging.
Zu Hause lag sie in meinem Bett. Nina. Stocksteif, wie erfroren. Sie hatte geweint, das Kopfkissen um sie war nass. Sie hatte immer noch einen Hausschlüssel. Ich zog mich aus und kroch zu ihr. »Du hast getrunken«, sagte sie. »Du stinkst wie ein leeres Weinfass.« Ich legte vorsichtig die Hand auf ihren Bauch. Er war flach. Ich stand auf, duschte und putzte mir die Zähne. Das winzige Bad hatte als einzige Belüftung ein kleines Fenster auf das Treppenhaus. Es stand auf. Ich hatte kein Licht gemacht. Als ich zufällig aus dem Fensterchen sah, nahm ich einen Schatten auf der Treppe wahr. Von irgendwo fiel ein schwacher Lichtschimmer in den Korridor. Wahrscheinlich durch die Scheibe über der Eingangstür. Ich hielt den Atem an. Der Schatten bewegte sich, glitt zwei, drei Stufen höher, hielt dann inne. Ich glaubte, die Umrisse eines Menschen zu sehen. So leise wie möglich schloss ich die Luke, schlich durch die Wohnung zur Eingangstür und schob den Riegel vor. Dann setzte ich mich ans Fenster und beobachtete die Straße. Die Müllfrau war immer noch da. Sie fegte die Kippen am Pasquino auf. Vor dem ersten Straßencafé wurden die Stühle von der Kette losgemacht.
Hundemüde schlüpfte ich zu Nina ins Bett. Sie war eingeschlafen. Ein leichter Schweißfilm bedeckte ihre makellose Haut. Sie war nicht überall makellos. Über der Bauchdecke bemerkte ich eine lange, frisch verheilte Narbe. Schließlich schlief ich ein. Als ich aufwachte, war das Bett neben mir leer. Ich tastete nach dem Kopfkissen. Es war immer noch nass.
7. Die Cafeteria
Unser erstes konspiratives Treffen fand spät am Abend in der Cafeteria der Stazione Termini statt. Ich erzählte Einar von dem Mann im Treppenhaus und von Ninas Narbe. »Vielleicht wirst du beschattet, vielleicht hat es nichts zu bedeuten. Die Narbe stammt höchstwahrscheinlich von einem Kaiserschnitt. Das passt zu dem, was die Leute in der Bar erzählt haben. Warum hast du Nina nicht gefragt?«
»Sie war so müde. Und dann war sie fort. Aber ich habe mir etwas anderes überlegt. Ich habe vor, mir bei Falsini eine Audienz zu verschaffen. Unter dem Vorwand, ihn nach der Lebenserwartung meines Vaters zu befragen. Falsini ist Fachmann für Biogenetik. Vielleicht kann er mir weiterhelfen. Vielleicht kann er mir sogar etwas über HUBRO sagen.«
»Sehr gut. Ich habe übrigens Tusa gefunden. Er ist auch in Rom. Er arbeitet derzeit als Italienischlehrer an einer Schule für Diplomatenkinder.«
»Wie bist du fündig geworden?«
»Ganz einfach. Du hast mir mit dem Stichwort Sprachkurs den richtigen Tipp gegeben. Ich habe alle möglichen Italienischkurse abgeklappert. Im Internet, an der Uni, in den Zeitungen. Schließlich stieß ich auf unseren Mann. So einfach ist es manchmal. Ich habe ihn angerufen und gesagt, dass ich mein Italienisch verbessern will. Tusa spricht übrigens alle skandinavischen Sprachen. Man hat ihn mir empfohlen. Du siehst, Rom kann nicht nur sehr heiß, es kann auch sehr klein sein. Übrigens, hast du eine Waffe?«
»Nein. Ich musste meine Dienstwaffe abgeben. Außerdem halte ich nicht viel von...«
»Piet«, unterbrach er mich. »Ich weiß, dass du Gewalt nicht schätzt. Du bist eben immer noch ein verkappter Hippie. Aber deine Menschenliebe stößt nicht immer auf Gegenliebe. Glaub mir, es könnten Situationen entstehen, in denen dies kleine Ding sehr praktisch ist.« Er schob mir einen Stoffbeutel herüber. »Es ist eine Walther P 38, sehr zuverlässig. Patronen sind auch dabei. Trage sie, vor allem dann, wenn du meinst, dich sicher zu fühlen wie in Abrahams Schoß.«
Ich wollte Falsini treffen. Darum ging ich ins Krankenhaus und besuchte meinen Vater. Als ich das Krankenzimmer betrat, lag er im Bett und schien zu schlafen. Mir wurde immer klarer, wie ähnlich wir uns sahen. Ich blickte in mein Spiegelbild, wenn ich ihn ansah, um fast vierzig Jahre verschoben, ein Zerrspiegel, ein Trickspiegel, in dem ich meinen eigenen Tod erblickte. Was mich schockierte, war die Besessenheit, mit der er an seinem Leben hing. Auch diesmal war es so. Er wachte auf, als ich das Fenster wegen der stickigen
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