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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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»Schmarotzer sind die da oben, die Fabrikbesitzer!«
    Mein Vater fing an zu brüllen. »Du bist ein Kommunist, ein Roter, ein Ungläubiger, eine überflüssige Glandula! Alle Menschen sind Schmarotzer, sage ich, sie lernen es nie, selbstständig zu leben, solange sie sich wie die Tiere vermehren. Eine endlose Kette schleimiger Blastozyten, die über den Erdball kriechen und ihn zu Grunde richten!«
    Er war so betrunken, dass er den Halt verlor. Er stürzte, sein Urinbeutel platzte auf und umgab ihn mit einer stinkenden Lache. Die Umstehenden drängten aus dem Raum, während ich versuchte, meinem Vater auf die Beine zu helfen. Er redete immer noch. »Was wir brauchen, ist Parthenogenese, ist die Zeugung in der Petrischale, das Klonen gesunder Keimzellen und ihre Austragung in anständigen Leihmüttern! Und wir sind schon weiter auf diesem Weg vorangeschritten, als euch Kretins klar ist!«
    In diesem Moment erschien Doktor Falsini zusammen mit einem Pfleger. Beide nahmen meinen Vater zwischen sich und führten ihn weg. Ich folgte ihnen, sah zu, wie sie ihn in sein Bett brachten und ihm eine Spritze gaben.
    Ehe sie gingen, wandte sich Falsini an mich. »Ihr Vater ist ein herzensguter Kerl, aber allmählich verliert er die Kontrolle über sich. In seinem Kopf herrscht ein gewaltiges Durcheinander. Als ich ihm auf seinen Wunsch Bücher über Biogenetik besorgte, konnte ich nicht ahnen, was das auslösen würde. Ich vermute übrigens, Sie werden über Ihren Herrn Vater und seinen geistigen, seelischen und körperlichen Zustand mit mir reden wollen. Lassen Sie sich einen Termin in meinem Büro geben.« Er reichte mir die Hand und drückte sie fest. Dann gingen der Pfleger und er.
    Ich saß allein am Bett meines Vaters. Die Nachttischlampe brannte, obwohl es hell draußen war. Er lag da, auf dem Rücken, wie tot, schlimmer, wie einbalsamiert. Plötzlich überkam mich eine Welle von Gefühlen, von sinnlos verprasster Sohnesliebe. Ich legte meine Hand auf seine Stirn. Sie fühlte sich nass an und kalt. »Vater«, flüsterte ich, »ich bin froh, dich gefunden zu haben. Du bist zwar eine Katastrophe, aber ich glaube, ich liebe dich so, wie du bist.«
    Er reagierte nicht. Er wirkte so tot, dass ich nach seinem Handgelenk griff, um seinen Puls zu fühlen. Und da war es: ein starkes, gleichmäßiges Pochen. Ich maß die Schlagfrequenz mit dem Sekundenzeiger meiner Armbanduhr. Puls sechzig, das Metronom der Ewigkeit. Er öffnete die Augen. Seltsam, ich hatte das Gefühl, dass ich mich selbst aus ihnen anblickte. »Mein armer Piet«, flüsterte er. »Es geht mit mir zu Ende. Und du hast den Anfang noch vor dir.« Er schloss die Augen wieder nach diesen sibyllinischen Worten, und ich verließ auf Zehenspitzen das Zimmer.

8. Das Konzert

    Die Treffen mit Einar taten mir jedes Mal gut. Zuweilen verabredeten wir uns in einer Pizzeria, dann wieder in einem Park oder an touristischen Orten wie dem Kolosseum, wo Nordländer wie wir nicht auffielen. Ich befand mich in einer Phase tiefer Melancholie, und Einar versuchte mich aufzumuntern, so gut es ging. Er erzählte viel vom Norden, von der dort herrschenden Klarheit, die sich auch auf den Geist übertragen würde. »Ein ewiger Kampf zwischen Kälte und Klarheit«, sagte er. »Beide hängen miteinander zusammen, und doch hindert die Kälte das Leben, während die Klarheit es befördert. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass die größten Leistungen des Geistes und der Kultur bislang in den gemäßigten Zonen von Norditalien bis Thüringen geschahen.«
    »Norditalien akzeptiere ich. Aber wie kommst du auf Thüringen?«
    »Ich sage nur einen Namen: Bach. Für ihn wäre es in Südschweden bereits zu kalt gewesen. Bedenke, er war Organist und Geiger. Die Beweglichkeit seiner Finger war eine Voraussetzung seines Genies. Hätte er Rheuma bekommen, wäre die Geschichte der Musik anders verlaufen! Heute Abend ist übrigens ein Bachkonzert im Palazzo Spada. Sämtliche Cellosonaten. Für mich das Größte überhaupt. Nimm alle möglichen denkbaren Tonfolgen, die es überhaupt gibt, und lösche sie nach Maßgabe ihrer Unwichtigkeit. Ich sage dir, es bleiben zuletzt die Partituren der sechs Sonaten für Cello von Bach übrig.«
    Wir saßen diesmal im Café Giolitti mitten in der Altstadt, unweit des Palazzo di Montecitorio, in dem sich die italienische Abgeordnetenkammer befindet. Einar sah meinen erstaunten Blick und reagierte sofort. »Ich weiß, ich schlage über die Stränge. Ich rede wie ein

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