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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Bo tius
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Genom einen Text, der zehntausend Bücher von je dreihundert Seiten Länge füllen würde. Ein einzelner Mensch, der jeden Abend hundert Seiten lesen würde, wäre erst in hundert Jahren fertig. Das Ganze ist nichts als Hybris. Der Versuch, Gottes Bauplan zu entschlüsseln. Jedes einzelne Partikel aus dem Klumpen Lehm erfassen. Aus meiner Sicht muss dieser Versuch scheitern, trotz des Einsatzes größter Computerkapazitäten. Man wird zwar alle Gene irgendwann kartografiert haben: mit anderen Worten, man wird die gesamte Bibliothek der Erbinformation ins Regal stellen, aber man wird sie nie völlig lesen können. Die meisten Bände bleiben unaufgeschnitten. Eine tote Angelegenheit. Und das ist auch besser so, sonst würden sie eventuell bei Ihrem eigenen Genom auf einen Text stoßen, der Ihre ehemalige Existenz als Wurm oder Frosch beweist. Die hinduistische These der Seelenwanderung oder Wiedergeburt hat nämlich ihr gentechnisches Äquivalent in der Tatsache, dass hoch entwickelte Wesen in ihrem Genom sämtliche Informationen primitiver, in der Evolution vorangegangener Arten und Spezies bis zurück zu den ersten Mikroben enthalten. Solche antiquierten Teile der Bibliothek werden eben nur nicht mehr gelesen. Gott sei Dank. Sonst würden Ihnen vielleicht plötzlich Tentakel wachsen.« Er lachte herablassend. »Die menschliche Hybris macht vor nichts Halt. Wir bekommen es niemals satt, vom Baum der Erkenntnis zu essen, und entsprechend werden wir immer wieder aus jedem neuen Paradies vertrieben werden. Für mich zum Beispiel wäre es durchaus das Paradies, mit gentechnischen Mitteln Krankheiten zu heilen, Organe und Glieder nachwachsen zu lassen, unsterblich zu sein. Sie scheinen übrigens gut informiert zu sein. Liegt das an den Unterhaltungen mit Ihrem Herrn Vater?«
    Das Gespräch begann mir Spaß zu machen. Wir umkreisten einander wie zwei Hunde, die sich beriechen wollen. »HUBRO ist eine Organisation, die sich das Klonen von Menschen zum Ziel gesetzt hat. Die Abkürzung ist eine Ableitung von ABRO«, sagte ich.
    »ABRO. Das heißt Animal Breeding Organization, nicht wahr? Ich habe von diesem Verein gehört. Hat er nicht in Schottland gewirkt?«
    »Was halten Sie von Klonen, Doktor Falsini? Genauer, von menschlichen Klonen?«
    »Interessantes Thema. Zweifellos wird es eines Tages künstliche menschliche Klone geben. Natürliche gibt es ja schon hin und wieder. Eineiige Zwillinge. Voraussetzung ist wie gesagt, dass wir das genomische Imprinting in den Griff bekommen. Vielleicht geht es über die so genannte G0-Phase. Zellen, die in die G0-Phase versetzt werden, indem man ihnen die Nahrung vorübergehend entzieht, erweisen sich als reprogrammierbar. Man kann sie wie embryonale Stammzellen vielseitig einsetzen.«
    »Da steckt sicher viel Geld drin.«
    »Allerdings. Vor allem, wenn man an die Möglichkeit denkt, das Genom gezielt zu manipulieren. Stellen Sie sich zum Beispiel weiße Neger vor. Schwarze, die auf Bestellung weiße Kinder bekommen. Tendenziell wird die Menschheit den Weg der natürlichen Begattung mehr und mehr verlassen. Interessant für schwule und lesbische Paare, die sich eigene Kinder wünschen. Keine adoptierten, sondern echte. Die größte Klientel aber sind die vielen unfruchtbaren Ehepaare, deren Zahl ja ständig wächst wegen umweltbedingter Zeugungsunfähigkeit. Mit einem männlichen Gensatz, einem Ei und einer Leihmutter ist das, wie Sie sicher wissen, jetzt schon möglich. Dann hat wenigstens der eine von beiden Partnern eine genetische Verwandtschaft zum Kind. Aber es ist auch möglich, im Labor ein Kind aus beiden DNA zu basteln, natürlich in bester Qualität, das heißt unter Ausschaltung von Erbkrankheiten oder von gesellschaftlich als minderwertig beurteilten Eigenschaften wie Kleinwüchsigkeit, und die so geschaffene Zygote entweder in einer Leihmutter oder in einer künstlichen Gebärmutter auszutragen. Dann haben wir einen echten Klon, der beide Eltern genetisch repräsentiert. Wer sich dann Vater, wer sich Mutter nennt, ist egal, reine Willkür. Ich glaube, beide Begriffe werden sowieso langfristig aussterben. Auch die Familie, die wir hier in Italien angeblich so hochhalten, obwohl wir mehr Abtreibungen, mehr Suizide, mehr Scheidungen haben als fast alle anderen europäischen Länder. Die Familie ist in meinen Augen sowieso nur eine Ich-meine-es-gut-mit-dir-Maschine.«
    »Aber ist nicht die Kirche entschieden gegen das Klonen von Menschen?«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.

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