Roman
enttäuschen. Natürlich wünschte ich mir vor allem, dass alle, die ich gernhatte, an diesem Abend dabei waren. Aber davon abgesehen war es durchaus geschäftsförderlich, einen Promi wie Ginger dazuhaben, denn dann würde sicher ein Foto von der Saloneröffnung auf der Titelseite der Zeitung erscheinen. Ich wollte unbedingt Geld verdienen, ziemlich schnell. Von irgendwas musste ich leben, und schließlich wusste man nie, wann ich Josie ein paar Riesen zustecken musste, damit sie aus dem Land fliehen konnte, ehe die Staatsanwaltschaft bei ihr vor der Tür auftauchte.
Plötzlich registrierte ich, dass Lizzy mir von der Tür aus Zeichen machte. Ich lief zu ihr und überließ Red einem der Models, die ich ebenfalls um des Glamours willen hergelockt hatte (mit Versprechungen auf einen kostenlosen Haarschnitt).
»Okay, flipp jetzt nicht aus …«, zischte Lizzy und versetzte mich damit sofort in genau den Zustand. »Dan ist da.«
»Nein. Nein. Nein. Nein.«
»Doch. Er steht …«
Ich spürte, wie sich ein Arm um meine Taille legte, dann traf meine Nase ein Hauch von Ralph Laurens Polo.
»Direkt hinter mir?«
Lizzy nickte.
»Hey, Baby«, flüsterte er in mein Ohr. »Sieht ganz schön edel aus hier.«
So war das nicht geplant gewesen. Ich war seit ungefähr einem halben Jahr mit Dan zusammen, hatte aber am Eröffnungsabend nicht mit ihm gerechnet, weil …
»Ich dachte, du wärst diese Woche in London«, stammelte ich und hoffte inständig, dass mein Begleitlächeln signalisierte: »Aber ich freu mich, dass du es nicht bist«, und nicht: »Verdammter Mist, du bist wirklich der Allerletzte, den ich heute Abend hier brauchen kann.«
Ich hatte Dan kennen gelernt, weil er neue blonde Strähnchen wollte, bevor er seine Stelle als einziger nicht schwuler Flugbegleiter bei der Air Alba – einer schottischen Airline – antrat. »Airline« war eigentlich eine Übertreibung. Acht Kleinflugzeuge und ein Dutzend 747er, aus zweiter Hand von der Aeroflot erstanden, brauchen den Vorstand von British Airways nun wirklich nicht nervös zu machen.
Die Mädchen im Salon hatten seit Monaten über Dans sexuelle Orientierung diskutiert. In meiner gesamten Erfahrung mit der schottischen Männerwelt hatte ich niemals einen Hetero kennen gelernt, der Feuchtigkeitscreme benutzte. Und kochte. Und seine Wohnung perfekt sauber hielt. Und … und … (okay, das war echt das Schärfste) sich mit Wachs enthaarte . Er tat das. Auf seiner Brust und unter seinen Achseln war kein einziges Härchen zu sehen. Außerdem kleidete er sich, als käme er geradewegs aus einem Burton-Werbespot, und war besessen von modernen technischen Spielzeugen. Warum um alles in der Welt sollte jemand ein Mobiltelefon brauchen? Wozu? Was konnte so wichtig sein, dass es nicht warten konnte, bis man nach Hause kam, um es dann zu erzählen? Die Dinger würden sich nie durchsetzen.
Wie auch immer, im Schnitt war Dan jede Woche drei Tage zu Hause, sodass wir nie diesen Den-anderen-für-selbstverständlich-nehmen-Zustand erreichten und uns nicht auf die Nerven gingen. Was super war. Echt. Zumal …
»Vic!« Alle im Umkreis von zehn Metern reckten die Hälse, um zu sehen, wieso Lizzy so laut kreischte.
Ich hingegen fragte mich, ob dies die einzige Saloneröffnung in der Geschichte sein würde, bei der die Besitzerin versuchte, heimlich aus der Tür zu robben.
Meine kreischende Freundin war nicht zu bremsen. »Oh, Vic, gut, dass du hier bist!«
Wirklich? Hatte sie den Verstand verloren? Ich beantwortete Lizzys hektischen Blick mit einem konfusen und sah dann gebannt zu, wie sie die Hand des Neuankömmlings nahm und ihn durch die Menge zum Personalraum zog.
»Ich hab so komische Schmerzen, du musst unbedingt mal nachschauen!«, kreischte sie. »Du hast doch letztens erst einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht.«
Lizzy blinzelte mir zu und verschwand mit Vic nach hinten. Gott, sie war so gut – ihr fiel immer was Passendes ein.
»Wer ist dieser Typ?«, fragte Dan.
Mein Zweitfreund.
»Ach, irgendein Freund von Lizzy«, antwortete ich.
Ich war froh, dass die Hitze im Raum mir eine Entschuldigung für mein hochrotes Gesicht lieferte.
»Er kommt mir so bekannt vor. Kennst du ihn auch?«, forschte Dan weiter.
Ja, weil er mein Zweitfreund ist.
»Nur über Lizzy.«
»Cool. Du solltest ihn abends mal mitnehmen. Ich würde mir seine Tag Heuer gern genauer ansehen.«
Die Uhr ist nicht echt. Sie ist ein Fake, seine Schwester hat sie ihm aus Benidorm mitgebracht. Ich weiß das,
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