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Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shari Low
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waren vom Eingang bis zum Personalbereich komplett verspiegelt, was den Raum doppelt so groß wirken ließ. Ich hatte von einem Glasgower Hotel, dessen Eigentümer noch vor der Eröffnung Konkurs gemacht hatte, preiswert wunderschöne nagelneue rote Ledersessel erstanden – Glück für mich. Und der beste Freund meines Cousins Michael hatte seine ganzen Schreinerkünste aufgeboten und zehn Trennwände gezimmert, schwarz lackiert, mit Ablagen für Fön, Bürsten und Lockenwickler ausgestattet. An der hinteren Wand, gleich neben den zwei Reihen blitzsauberer weißer Becken, hingen zwanzig knallrote Frisierumhänge, die Josie auf ihrer alten, fußbetriebenen Nähmaschine kreiert hatte. Jetzt stand sie in der Mitte des Salons und sorgte dafür, dass auch jeder ihre Arbeit gebührend bewunderte. Sie sah aus wie eine Diva aus den Achtzigerjahren. Zu einem schwarzen Tweedbleistiftrock trug sie einen breiten roten Gürtel, der ihre schmale Taille betonte. Dazu eine korallenrote Seidenbluse mit parkbankbreiten Schulterpolstern. Auf jeden Fall hatte sie ihre Klamotten perfekt an die Farbenwelt des Salons angepasst.
    Sie sah mich und zwinkerte mir zu, dann betrachtete sie eine der riesigen Schwarz-Weiß-Fotografien an der Wand hinter ihr. Sie waren das Auffälligste an meinem neuen Salon. Es war Reds Idee gewesen. Er war eines Abends vorbeigekommen, während wir dekorierten, und brachte uns Pizza und etwas zu trinken mit. Red schlug vor, ein paar Porträts zu machen und groß aufzuziehen. Am nächsten Abend hatte ich die üblichen Opfer zusammengetrommelt und ihnen einen neuen Haarschnitt verpasst (immerhin beherrschte ich inzwischen mehr als einen Look), während Red Fotos schoss. Wie er daraus die Pop-Art-Kunstwerke gezaubert hatte, die von allen bewundert wurden, war mir rätselhaft. Ich war nicht sonderlich eingebildet, aber ich hatte das Gefühl, Roy Lichtenstein wäre ganz schön beeindruckt gewesen. Sogar Josie hatte um eine Kopie ihres Fotos gebeten und es an die einzige Stelle in ihrem Haus gehängt, an der es keine Naturstillleben gab. Niemand hatte es bisher übers Herz gebracht, ihr zu sagen, dass es ein bisschen irritierend war, wie sie einem nun von der Wand der Gästetoilette aus zusah.
    Ich brach das Schweigen. »Danke, Red, wirklich!«
    Er zuckte mit den Schultern. »Gern geschehen. Die Drucke sind eine gute Werbung für mich.«
    Unruhig warf ich einen Blick auf meine Swatch. »Hast du was von Ginger gehört? Sie wollte schon vor einer Stunde kommen.«
    Red schüttelte den Kopf. Sein Grinsen erinnerte mich an die Stelle am Ende von Grease , wo John Travolta ziemlich vertrottelt aussieht. Wenn John Tavolta rote Haare hätte. Und aus Glasgow wäre. Und in schwarzer Jeans und Bowie-T-Shirt in einem Friseursalon stünde. Also gut, genau genommen hatte er eigentlich gar keine Ähnlichkeit mit John Travolta. Wahrscheinlich gingen mir die Nerven durch, und der Alkohol tat ein Übriges.
    »Nein, aber du kennst sie ja. Sie war schon vor ihrer Karriere als Sängerin katastrophal und unberechenbar, aber seit sie auf Reinkarnation von Debbie Harry macht, ist sie gar nicht mehr einzufangen.«
    Er sagte das ohne Boshaftigkeit, einfach nur so. Und er hatte recht. Es war die größte Überraschung seit Gary Collins’ Single You Never Turned Me On (ob er je darüber hinwegkam?), dass Ginger ihre Karriere in der Fußpflegebranche gegen eine Zukunft in der Musikszene eingetauscht hatte. Denn der Typ, der auf Lizzys Hochzeit aufgetaucht war, war Ike Stranger, ein einflussreicher Talentscout von Edge Records, der die Glasgower Clubs nach neuen, Erfolg versprechenden Bands absuchte. Statt einer Band hatte er Ginger gefunden – betrunken, streitsüchtig und in pfirsichfarbenen Zuckerguss gekleidet – und sofort erkannt, dass sie etwas ganz Besonderes war. Ob es an ihrer Stimme oder den Doc Martens lag, die sie unter ihrem Kleid trug – wie auch immer, meine Freundin war zwar noch nicht so berühmt wie Gary Mistschwein Collins, hatte aber inzwischen einige Jahre mit Auftritten in Pubs und Clubs hinter sich, ihre erste Single – Numb – herausgebracht und fand immer mehr Beachtung. Ein Sturz von der Bühne bei der letztwöchigen Liveaufnahme der Top of the Pops hatte definitiv dazu beigetragen. Mit etwas Glück würden die drei Jungs aus Maidenhead, auf denen sie gelandet war, bald aus dem Krankenhaus entlassen.
    Wo blieb sie nur? Sie hatte versprochen zu kommen, also würde sie auch kommen. Ganz sicher. Sie würde mich nicht

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