Roman
Glück dafür zu opfern. Wenn du unglücklich bist, hör auf, und such dir etwas, wofür du morgens gerne aufstehst.
52. Natürlich schließt das alle gefährlichen Tätigkeiten aus, ebenso Jobs in der Sexbranche oder solche, die dich zu weit von zu Hause wegführen. Oder die illegal sind. Verdreh jetzt bloß nicht die Augen, junge Dame!
53. Ganz gleich, wie sehr du dich in die Arbeit stürzt – dir muss immer noch genug Zeit für deine Freunde, die Liebe und für dich selbst bleiben. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge (vor allem dann nicht, wenn du zufällig auf diese genetische Mutation von Johnny und Leo gestoßen bist).
54. Wenn du einen Tag lang nicht gelacht hast, stimmt was nicht. Ruf sofort eine Freundin an!
55. Wenn du eine Woche nicht gelacht hast, geh zum Arzt! Am besten zu einem, der gut aussieht, charmant und um die dreißig ist.
56. Mach einen großen Bogen um Sonnenbänke, und genieß deine Brüste, solange sie noch fest sind.
Ach, und noch etwas …
Lektion 57
Manchmal ist Rache wirklich süß 1996. Lou, sechsundzwanzig Jahre alt
»Avril, kannst du bitte erst bei Stacey waschen, danach den Personalraum aufräumen und anschließend die Wickler sortieren?«
Meine kleine Cousine verzog das Gesicht, drehte sich auf ihren pinkfarbenen Plateauschuhen um, warf den schwarzen, polangen Pferdeschwanz zurück und stolzierte in ihren Lycraleggins im Leoprint davon.
Ich hörte, wie sie am Becken eine unserer Stammkundinnen so höflich und zuvorkommend begrüßte, wie man es von ihr gewohnt war. »Hey, Dicke, beweg dich und leg den Kopf nach hinten! Es ist mir scheißegal, ob dir der Nacken wehtut oder nicht.«
»Tut mir leid, Stacey!« rief ich. »Ich schmeiße sie jede Woche raus, aber sie kommt einfach immer wieder.«
Die »Dicke« war in Wahrheit ein eins achtzig großes, zweiundfünfzig Kilo leichtes Model, das Kleidergröße 36 trug und zu meinen treuesten Kundinnen gehörte.
»Kein Problem, Lou, ich hab mich inzwischen an sie gewöhnt. Wenn sie mich weiter so behandelt, spare ich Trinkgeld.«
Staceys Gekicher wurde vom Geräusch des Wasserhahns unterbrochen, dann hörte man einen spitzen Aufschrei – vermutlich hatte Avril sich gerächt.
Es hatte Vor- und Nachteile, ein Familienmitglied zu beschäftigen. Einen Tag nachdem sie von der Schule geflogen war, weil sie den Direktor beschimpft hatte, hatte Josies Tochter Avril bei mir angefangen. Ich glaube, der genaue Wortlaut war »glatzköpfiger, schwachsinniger, sexistischer, narzisstischer dämlicher Vollidiot« gewesen. Was immerhin bewies, dass sie über einen Wortschatz verfügte, der beeindruckend viele Adjektive enthielt.
In den drei Monaten, die sie nun bei mir arbeitete, hatte es viele Nachteile gegeben. Avril war launisch, undankbar, unhöflich, eigenbrötlerisch und gekleidet wie das sechste Mitglied der Spice Girls – und das widerspenstigste. Erstaunlicherweise fanden die Stammkunden ihre Unverschämtheiten witzig, das war einer der Vorteile. Und sosehr sie auch schimpfte, sie arbeitete mehr als alle anderen und zeigte – zu ihrem eigenen Entsetzen – großes Talent beim Schminken während der wöchentlichen Modelabende, die wir veranstalteten. Erst in der Woche zuvor hatte sie Stacey einen Bowie-inspirierten Look verpasst, indem sie für ihr Augen-, Wangen- und Lippen-Make-up Metallicfarben benutzt hatte. Das Ergebnis war grandios gewesen.
Außerdem war Josie mir echt dankbar, dass ich ihre Tochter untergebracht hatte, und das war das Mindeste, was ich für sie tun konnte. Vor allem, nachdem Avril uns ihre Alternativpläne eröffnet hatte: eine missionarische Tätigkeit in der Amazonas-Gegend oder eine Brustvergrößerung mit anschließender Karriere im liegenden Gewerbe.
Ich nahm eine Rundbürste zur Hand und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Mrs. Marshall. Zum Glück waren mir alle alten Kunden treu geblieben. Und aufgrund unserer neu erfundenen Late-Night- und Sonntags-Öffnungszeiten, der Studentenrabatte, Zeitungsanzeigen und einer Aktion mit Handzetteln, die ich höchstpersönlich in der ganzen Stadt verteilt hatte, hatten wir einen permanent vollen Terminkalender. An diesem Tag waren allein vier Rentnerinnen da gewesen, die für vierzehn Tage nach Magaluf fliegen wollten, eine Hochzeitsgesellschaft, eine bunte Mischung weiterer Frauen zwischen zwölf und achtzig, ein Pfarrer und eine komplette Fußballmannschaft. Aus personaltaktischen Gründen übersah ich die Tatsache, dass ich Avril dabei erwischt hatte,
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